Physiker: Privatbesuche verbieten besser als pauschale Ausgangssperre

Berlin (dpa) - Mit den geplanten abendlichen Ausgangbeschränkungen
kann die Verbreitung des Coronavirus nach Einschätzung des Berliner
Physikers Kai Nagel spürbar reduziert werden. Aber: Statt abends
Ausgänge pauschal zu verbieten plädierte Nagel am Freitag in einer
Bundestagsanhörung zur geplanten Corona-Notbremse des Bundes dafür,
nur den Ausgang für private Besuche in Innenräumen zu verbieten -
dafür den ganzen Tag. Hintergrund ist das weit höhere
Infektionsrisiko in Innenräumen.

Um die Infektionszahl zu senken, sei eine Verminderung der
Infektionen in Schulen, bei der Arbeit und bei privaten Besuche
nötig, sagte der Experte für Voraussagen des Infektionsgeschehens.
Die geplanten abendlichen Ausgangsbeschränkungen könnten den
sogenannten 7-Tages-R-Wert dabei um 0,1 senken. Am Freitag lag dieser
Wert bei 1,18: Durchschnittlich so viele Ansteckungen gibt es pro
infizierter Person. Erfahrungen aus Großbritannien bestätigten
modellhafte Prognosen, dass der positive Effekt auf das
Infektionsgeschehen fünf Mal so groß wäre, würde man stattdessen
hingegen den Aufenthalt im öffentlichen Raum zum Zwecke privater
Besuche rund um die Uhr verbieten, so Nagel.

Dann wäre der Zweck der Ausgangsbeschränkungen auch klarer umrissen.
Ein Vorteil wäre auch, dass die Polizei nicht Treffen in Parks
untersagen müsste, die aus wissenschaftlicher Sicht kein sehr großes
Risiko darstellten, so der Forscher an der Technischen Universität
Berlin.

Laut der am Freitag erstmals im Bundestag beratenen Corona-Notbremse
soll in Regionen mit vielen Infektionen der Aufenthalt von Personen
außerhalb einer Wohnung oder einer Unterkunft und dem jeweils
dazugehörigen Besitztum von 21.00 Uhr bis 5.00 Uhr untersagt sein.
Nicht gelten soll das für die Versorgung von Tieren, in Notfällen,
für die Berufsausübung, bei der Wahrnehmung des Sorge- oder
Umgangsrechts, der unaufschiebbaren Betreuung
unterstützungsbedürftiger Personen oder Minderjähriger, der
Begleitung Sterbender oder aus ähnlich wichtigen Gründen.