Uneinigkeit unter Juristen bei Plänen zur Bundes-Notbremse

Berlin (dpa) - Die geplante Bundes-Notbremse gegen Corona findet ein
geteiltes Echo bei Rechtswissenschaftlern. Bei der Frage, ob etwa
nächtliche Ausgangsbeschränkungen angemessen seien, waren die
Sachverständigen bei einer Anhörung am Freitag im
Gesundheitsausschuss des Bundestags unterschiedlicher Meinung.

Ausdrückliches Lob für das Vorhaben insgesamt kam von Michael Brenner
von der Universität Jena, der den Entwurf für eine bundesweite
Notbremse als «insgesamt gelungen» bewertete. Der Entwurf finde den
richtigen Weg zwischen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus auf der
einen und verhältnismäßigen Grundrechts-Einschränkungen auf der
anderen Seite. Auch die Inzidenzzahl 100 sei ein «sinnvolles
Kriterium» zur Erfassung des Infektionsgeschehens: Wenn man
stattdessen auf die Zahl der Infizierten schaue oder auf die
Patienten, die auf Intensivstationen beatmet werden müssten, «dann
ist das Kind schon längst in den Brunnen gefallen», so Brenner.

Die nächtlichen Ausgangssperren stufte Brenner insgesamt als
verhältnismäßig und verfassungsgemäß ein. Allerdings sei eine Spe
rre
ab 22.00 Uhr realistischer und verhältnismäßiger als um 21.00 Uhr.


Christoph Möllers von der Humboldt-Universität Berlin zweifelte die
Verhältnismäßigkeit von pauschalen Ausgangssperren hingegen an. Es
spreche viel dafür, hier das «Risiko des großen Unfalls in Karlsruhe
»
vor dem Bundesverfassungsgericht zu vermeiden. Er warnte wie auch
andere Experten vor einem «Jojo-Effekt» aus Verschärfungen und
Lockerungen, wenn die 7-Tage-Inzidenz um den Wert 100 pendele.

Thorsten Kingreen von der Universität Regensburg zog nächtliche
Ausgangssperren in Zweifel, weil sie ausgerechnet den Aufenthalt im
Freien beschränken würden. Eine stärkere Unterscheidung zwischen
drinnen und draußen bei den Vorgaben hielt er für angebracht. Es sei
zudem unverhältnismäßig, wenn Ausgangssperren nur an der Inzidenzzahl

anknüpften und auch für vollständig Geimpfte gelten würden - falls

ein Geimpfter vor dem Bundesverfassungsgericht klagen würde, stelle
das einen «Elfmeter» für ihn dar.

Mit dem Gesetz soll es künftig bundeseinheitliche Regelungen für
Corona-Maßnahmen geben. Überschreitet die Zahl der Neuinfektionen auf
100 000 Einwohner binnen sieben Tagen in einer Stadt oder einem
Landkreis den Wert von 100 an drei aufeinander folgenden Tagen,
müssen etwa Geschäfte geschlossen werden und es greifen
Ausgangsbeschränkungen zwischen 21.00 und 5.00 Uhr. Der Bundestag
muss dem aber noch zustimmen, zudem müssten die Neuerungen den
Bundesrat passieren.