Studie zu Lebenszufriedenheit: Wie geht es uns in der Pandemie? Von Silvia Kusidlo, dpa

Ohne Sorgen an einem Strand in der Sonne liegen oder sich mit
Freunden zum Plausch treffen: Je länger die Corona-Pandemie dauert,
umso sehnlicher wünscht man sich ein Stück Normalität. Forscher
machen Mut: Die Lebenszufriedenheit soll bald wieder steigen.

Berlin (dpa) - In Großbritannien fließt das Bier im Außenbereich von

Pubs in Strömen, in Israel können Geimpfte schon wieder
in Schwimmbäder und in den USA werden Hauspartys geplant. In Ländern

mit hohen Impfquoten beflügelt die Aussicht auf ein Ende der
Corona-Pandemie bereits viele Menschen. Und wie sieht es in
Deutschland aus? Trotz Impfverzögerungen und politischen Machtspielen
ist die Laune Umfragen zufolge gar nicht so schlecht. Mehr noch: Die
Deutschen blicken nach Angaben von Experten positiv in die Zukunft.

Die Pandemie hat die Lebenszufriedenheit vieler Menschen in
Deutschland einer Umfrage zufolge in einigen Bereichen sogar
verbessert. So schätzen zahlreiche Erwachsene sowohl ihre Gesundheit
als auch ihren Schlaf deutlich besser ein als früher, wie neueste
Daten des «Sozio-oekonomischen Panels» (SOEP) zeigen. Die jährliche
Befragung von Privathaushalten ist die größte Langzeitstudie zur
gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland. Mehr als 6500
Teilnehmende der Studie wurden im April und Juni 2020 sowie im Januar
2021 zusätzlich zu ihrer Lebenssituation in der Pandemie befragt.

«Im Angesicht der Bedrohungen durch die Pandemie sind die Zipperlein,
die man am Rücken spürt, wohl zu vernachlässigen», erklärte Stefa
n
Liebig, Direktor des Panels und wissenschaftliches Vorstandsmitglied
des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), den teils
positiven Trend. Das DIW und die Uni Bielefeld arbeiten bei der
Zusatzstudie zusammen. Auch für die größer gewordene Zufriedenheit
mit dem Schlaf gibt es eine Erklärung: «Durch das Homeoffice
entfallen zum Beispiel lange Anfahrtswege zur Arbeitsstelle.»

Nicht mehr ganz so zufrieden wie vor der Pandemie sind die Befragten
mit dem Familienleben - man denke nur an das oft nervenaufreibende
Homeschooling. Am meisten ärgert sie aber der Umfrage zufolge, dass
die Corona-Krise so stark ihr Freizeitverhalten einschränkt.

Zukunftsforscher Horst Opaschowski ist von der «mentalen Stärke» der

Menschen in Deutschland beeindruckt. Sie blickten, so ergaben seine
Umfragen, trotz der nun mehr als einjährigen Pandemie optimistisch in
die Zukunft. Das Opaschowski Institut für Zukunftsfragen hatte
hierfür zu drei Zeitpunkten der Pandemie jeweils 1000 Personen ab 14
Jahren befragt. «Bei einem Großteil der Bevölkerung überwiegt nach

wie vor die positive Einstellung zum Leben», sagte Opaschowski dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). «Mit der Dauer der Pandemie
werden eher neue Kräfte freigesetzt: Statt Angst und Pessimismus
herrschen Ausdauer, Zuversicht und Hoffnung vor.»

Doch ist wirklich alles so positiv? Der Soziologe Martin Schröder von
der Universität Marburg warnt, dass die Lebenszufriedenheit in
Deutschland derzeit «unfassbar niedrig» sei. «Das ist ungefähr mit

dem Rückgang an Lebenszufriedenheit vergleichbar, den Menschen
durchmachen, wenn Sie ihren Job verlieren oder ihre Partnerschaft
ungewollt endet - nur dass der Effekt eben nicht einige Pechvögel
betrifft, sondern uns alle.» Die Folge seien mehr psychische
Erkrankungen, so Schröder, der auch ein Buch über Lebenszufriedenheit
geschrieben hat. Für seine jüngsten Analysen mit Blick auf die
Pandemie wertete er Daten des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf
aus. «Die sind zwar nicht repräsentativ, aber sie spiegeln die
tatsächliche Lage klar wider», ist sich der Forscher sicher.

Auch die Psychologin Isabella Heuser-Collier von der Berliner Charité
rechnet mit mehr Depressionen und Angststörungen: «Wir wappnen uns
vor einer Flut solcher Erkrankungen», sagte die Direktorin der Klinik
und Hochschulambulanz für Psychiatrie und Psychotherapie. Und sie
sorgt sich um den deutschen Generationenvertrag. «Junge Leute sehen
ihre Existenz bedroht.» Vielen Senioren werde vorgeworfen, als erste
geimpft worden zu sein, sagte sie. Könnten die Erfahrungen aus der
Pandemie die Gesellschaft auch positiv beeinflussen? Mehr Fürsorge,
Achtsamkeit, Empathie? Heuser-Collier hält das für Wunschdenken. «Der

Mensch vergisst nichts so schnell und gern wie Katastrophen. Denken
Sie nur an die Spanische Grippe und den Ersten Weltkrieg.»

Soziologe Schröder blickt trotz allem zuversichtlich in die Zukunft:
«Sobald die (Pandemie-)Situation sich normalisiert hat, wird auch die
Lebenszufriedenheit wieder auf ihren normalen Wert klettern», so der
Soziologe. «Vielleicht gibt es sogar einen «Overshoot», vielleicht
traut man der Sache aber auch erst mal nicht und die Erholung ist
zaghaft.» Für Schröder gibt es an der Erholung der Zufriedenheit
«irgendwann zwischen Mai und August» keinen Zweifel: «Es müsste mit

dem Teufel zugehen, wenn Corona die einzige Ausnahme von allen wäre.»

Dass die Fortschritte in der Pandemie-Bekämpfung Zuversicht und gute
Laune fördern, zeigen auch Reaktionen von Prominenten - vor allem bei
den Impfungen. «Man fühlt sich besonders nach der zweiten Impfung so
richtig frei», schwärmte der deutsche Regisseur Wolfgang Petersen
(80), dem in Los Angeles das Vakzin verabreicht wurde. Euphorisch
äußerte sich Arnold Schwarzenegger: «Ich war noch nie so glücklich,

in einer Schlange zu warten», schrieb der 73-jährige Hollywood-Star
auf Twitter. Und der Berliner Sänger und Entertainer Frank Zander
(79) verriet nach seiner Impfung, nach der man laut Experten
eigentlich erst mal keinen Alkohol trinken soll, auf Facebook. «Bin
erleichtert und mir geht's bestens - jetzt n Bierchen!»