Verwaltungsgerichte rechnen mit Anstieg der Asylverfahren

Die Verwaltungsgerichte schieben seit 2015 einen Berg von
Asylverfahren vor sich her. Nun wird ein neuer Schwung Verfahren
erwartet. Statt mehr Richterstellen sollen sogar welche abgebaut
werden.

Lüneburg (dpa/lni) - Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht
(OVG) rechnet in diesem Jahr mit einer deutlichen Zunahme der
Asylverfahren bei den Verwaltungsgerichten im Land. Wegen der
Corona-Pandemie habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
(BAMF) in 2020 nur etwa zehn Prozent der anhängigen Verfahren
entschieden, für die im Falle eines Rechtsmittels niedersächsische
Verwaltungsgerichte zuständig wären. Das liege daran, dass die
Präsenzanhörungen zeitweise nicht möglich waren. Zudem würden in de
n
nächsten Monaten verstärkt Verfahren von syrischen Flüchtlingen
entschieden.

«Dabei ist mit bis zu 1500 weiteren Klageverfahren vor den
niedersächsischen Verwaltungsgerichten zu rechnen», sagte
OVG-Präsident Thomas Smollich am Mittwoch bei der
Jahrespressekonferenz in Lüneburg. Der Europäische Gerichtshof habe
eine Entscheidung zu Wehrdienstverweigerern in Syrien getroffen, auf
die sich viele Asylfolgeanträge stützen könnten.

Die durchschnittliche Dauer eines Asylverfahrens liege fast bei 23
Monaten. «Die Verfahrensdauer von fast zwei Jahren ist problematisch,
das ist zu lang. Das Problem liegt in der Personalsituation»,
ergänzte Smollich. Seit acht Jahren bestehe eine anhaltende
Überbelastung in der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Wollte man nur den
Bestand an Asylverfahren innerhalb eines Jahres abbauen, wären dafür
etwa 90 bis 100 Richterstellen erforderlich.

Für einen nachhaltigen Abbau der Bestände bis Ende 2024 bedürfte es
rund 25 zusätzlicher Richterstellen. Stattdessen ist ein Stellenabbau
geplant. Zur niedersächsischen Verwaltungsgerichtsbarkeit gehören die
sieben Verwaltungsgerichte in Braunschweig, Göttingen, Hannover,
Lüneburg, Oldenburg, Osnabrück und Stade als Eingangsinstanz sowie
das OVG.

Besonders im Fokus in der Corona-Pandemie steht der 13. Senat des
OVGs, der seit März 2020 insgesamt 433 Verfahren auf dem Tisch hatte.
«Das ist eine unheimliche Herausforderung, es geht um
Grundrechtseingriffe», sagte Smollich. Insgesamt sei die Situation
für die Richter eine hohe psychische Belastung. «Ich wünsche mir,
dass das Thema mit den Impfungen zurückgeht.» Anhängig seien derzeit

Verfahren zur Testpflicht in Schulen, über die voraussichtlich in der
kommenden Woche am OVG entschieden werde.