Nationale Sicherheit: London hält Zahlen über Impfstoffexporte zurück

Der Impfstoffstreit zwischen Großbritannien und der EU schwelt
weiter. Während Brüssel Daten zur Impfstoffexporten publik macht,
gilt die Angelegenheit in London als sicherheitsrelevant.

London (dpa) - Unter Verweis auf die nationale Sicherheit verzögert
die britische Regierung Angaben zu Impfstoffexporten. In einem
Schreiben an die Deutsche Presse-Agentur betonte das Außenministerium
in London in dieser Woche, die Informationen seien vorhanden.
Zunächst müsse aber geprüft werden, ob es im öffentlichen Interesse

liege, sie zu veröffentlichen. Eine Antwort könne daher frühestens im

Mai erfolgen.

Die dpa hatte in einem sogenannten Freedom of Information Request um
Auskunft gebeten, wie viele Impfstoffdosen aus Großbritannien bis zum
10. März exportiert wurden und in welche Länder sie gingen. Diese
Anfragen müssen in der Regel innerhalb von 20 Werktagen beantwortet
werden. Diese Frist, die in der vergangenen Woche abgelaufen war,
wurde nun aber mit Verweis auf eine weitere Prüfung verlängert.

Die EU-Kommission teilte auf dpa-Anfrage am Donnerstag mit, sie habe
ihre Partner dazu «eingeladen», Daten zu Impfstoffexporten zu
veröffentlichen. Aus Großbritannien seien jedoch bislang keine
Exportdaten übermittelt worden. Aus EU-Staaten wurden den jüngsten
Zahlen zufolge bisher 113,5 Millionen Impfdosen in 43 Länder
exportiert.

Brüssel und London streiten seit Wochen über die Exporte von
Impfstoffen. Die EU wirft Großbritannien vor, die Ausfuhr der
Präparate zu verhindern, während umgekehrt Millionen Dosen Impfstoff
geliefert werden.

Es geht dabei vor allem um den Impfstoff von Astrazeneca. Das
Unternehmen hatte seine Lieferzusage an die EU einseitig drastisch
gekürzt - von ursprünglich 300 Millionen Impfdosen auf nur noch 100
Millionen im ersten Halbjahr. Der Konzern liefert aber anscheinend
reibungslos an Großbritannien. «Unser Vertrag übertrumpft deren»,
erklärte das der britische Gesundheitsminister Matt Hancock kürzlich.

Die EU hatte wegen der Lieferschwierigkeiten von Astrazeneca einen
Exportkontrollmechanismus eingeführt. Brüssel zufolge wurden allein
bis Ende März mehr als 20 Millionen Dosen Impfstoff vom Kontinent
nach Großbritannien geliefert. Ob und wie viele in die andere
Richtung gingen, ist nicht genau bekannt. Laut EU war es so gut wie
nichts.

London wies den Vorwurf, Exporte zu verhindern, entschieden zurück
und bezichtigte die EU, ihrerseits mit dem Mechanismus
Impfnationalismus zu betreiben. «Wir haben nicht den Export einer
einzigen Impfdosis oder von Impfstoffbestandteilen verhindert»,
beteuerte Premierminister Boris Johnson.

Beide Seiten verhandeln derzeit über eine längerfristige Lösung in
dem Streit. Ein britischer Regierungssprecher sagte dazu am Mittwoch,
man führe konstruktive Gespräche und sei an einer Lösung
interessiert, von der die Menschen in Großbritannien und der EU
profitieren könnten. Konkrete Ergebnisse lagen aber noch nicht vor.