Ministerium empfiehlt Luca-App trotz Kritik

Die Luca-App ist der Favorit bei der Suche nach einem digitalen Tool
für die Eindämmung der Corona-Ausbreitung. Doch an der Entwicklung
eines Berliner Start-ups gibt es Kritik. Das baden-württembergische
Sozialministerium positioniert sich klar und deutlich.

Stuttgart (dpa/lsw) - Trotz Kritik an der Luca-App empfiehlt das
Sozialministerium den Menschen in Baden-Württemberg, die Technik zur
Kontaktverfolgung bei Corona-Infektionen zu nutzen. «Die Luca-App ist
einer von vielen wichtigen Bausteinen, um die Corona-Pandemie zu
bekämpfen», sagte ein Sprecher in Stuttgart. Wichtig sei für das Land

vor allem, dass die Nutzung der App auf allen gängigen Smartphones
möglich und für alle Bürgerinnen und Bürger sowie die teilnehmenden

Betriebe kostenlos sei. Zudem erfülle die App die hohen Anforderungen
des Datenschutzes, so der Sprecher. Das habe der Landesbeauftragte
für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg dem
Ministerium gleich zweimal bestätigt.

Luca versucht, der Zettelwirtschaft bei Restaurant-Besuchen und
anderen Events ein Ende zu bereiten, bei denen man sich bislang in
der Regel in Papierlisten eintragen musste. Zwar kann man sich bei
der Check-in-App des Berliner Start-ups Nexenio auch unter falschem
Namen eintragen. Aber bei der Angabe der Mobiltelefonnummer ist
Mogeln nur schwer möglich, weil diese mit einer SMS bestätigt wird.
So wüssten die Gesundheitsämter immerhin, wie jemand erreichbar ist.

Die Macher der Luca-App versprechen, dass die Einträge nur im
Infektionsfall von den Gesundheitsämtern eingesehen werden - und das
auch nur, wenn die Anwender dem zustimmen. Das Verfahren sei durch
eine doppelte Verschlüsselung abgesichert. Unter anderem hatte Smudo
von den Fantastischen Vier die App beworben.

Hintergrund ist unter anderem, dass die Corona-Warn-App des Bundes
nicht so stark genutzt wird wie von der Politik erhofft und dass die
Infektionsschutzverordnungen der Bundesländer sich nicht mit der
anonymen Erfassung von Risiko-Begegnungen begnügen. Gesundheitsämter
sollen im Zweifelsfall auf die kompletten Kontaktdaten zurückgreifen
können, um Infektionsketten zu erkennen und zu unterbrechen.

Die europäische Hackervereinigung Chaos Computer Club (CCC) fordert,
keine Steuermittel mehr für die Luca-App auszugeben und ein
«umgehendes Moratorium» bei deren Einsatz. Club-Sprecher Linus
Neumann verwies am Mittwoch auf eine «nicht abreißende Serie von
Sicherheitsproblemen» bei dem Luca-System. Die Vergabepraktiken in
den Bundesländern müssten durch den Bundesrechnungshof überprüft
werden. Niemand dürfe gezwungen werden, die App zu verwenden, um am
öffentlichen Leben teilzunehmen. «Für den Umgang mit hochsensiblen
Gesundheits- und Bewegungsdaten verbietet sich der
ländersubventionierte Roll-Out ungeprüfter Software von selbst.»

Die Datenschutz-Aktivisten hatten unter anderem kritisiert, dass
Daten im Gegensatz zur anonymen Corona-Warn-App des Bundes zentral
gespeichert werden. Dies wecke bei Strafverfolgungsbehörden und
Geheimdiensten Begehrlichkeiten. Außerdem seien die Macher nicht
sauber mit Lizenzen sogenannter Open-Source-Komponenten umgegangen.
Kritik gibt es auch an Luca-Schlüsselanhängern, die für Menschen ohne

Smartphone gedacht sind. «Wer den QR-Code (eines Schlüsselanhängers)

scannt, kann nicht nur künftig unter Ihrem Namen einchecken, sondern
auch einsehen, wo Sie bisher so waren», kritisierte Neumann.

Nexenio, räumte ein, «dass Dritte, die unbefugt im Besitz des
QR-Codes auf dem Schlüsselanhänger waren, die jeweilige
Kontakthistorie abrufen konnten». «Wir haben diese Möglichkeit sofort

nach der erfolgten Meldung deaktiviert und bedanken uns für die
Mitteilung. Es konnten zu keinem Zeitpunkt hinterlegte Kontaktdaten
wie Adresse oder Telefonnummer abgerufen werden.»

Zudem gibt es Kritik von Konkurrenten an der Vergabe an die Luca-App.
So etwa von der Vidavelopment GmbH, die mit der Vida App eine
ähnliche Lösung anbietet. Geschäftsführer Robel Haile beklagt ein
intransparentes Vergabeverfahren. In Mecklenburg-Vorpommern habe sein
Unternehmen deshalb ein Nachprüfverfahren der Vergabe beantragt.
Sollte dieses Erfolg haben, würden sie auch in Baden-Württemberg
rechtliche Schritte veranlassen, sagte Haile.

Mehrere Bundesländer setzen aber auf die App, so auch
Baden-Württemberg. Sozialminister Manne Lucha (Grüne) hatte Ende März

verkündet, Lizenzen für den flächendeckenden Einsatz beschafft zu
haben. «Die App soll landesweit dabei helfen, Kontakte im Fall einer
Corona-Infektion nachvollziehen zu können», erklärte er dazu.

Der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags Baden-Württemberg, Alexis

von Komorowski, sagte am Mittwoch: «Das Land sollte jetzt rasch ein
breites Bündnis aus Handel, Gastronomie, Tourismus und Kultur
initiieren, damit gemeinsam mit den Kommunen die Voraussetzungen für
eine breite Nutzung der App durch die Bürgerinnen und Bürger
geschaffen werden können.» Die flächendeckende Nutzung wäre für d
ie
digitale Kontaktpersonennachverfolgung «ein echter Meilenstein».
«Deswegen unterstützen die Gesundheitsämter dieses Vorgehen auch auf

breiter Front», sagte von Komorowski laut Mitteilung.

Wie neun andere Länder habe das Land die Anbieter des Luca-Systems in
einem gemeinsamen Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb
beauftragt, erläuterte der Ministeriumssprecher. «Die Vergabestelle,
die das Verfahren für die zehn Länder durchgeführt hat, hat diese
Form der Vergabe umfassend geprüft und für rechtlich zulässig
erachtet. Ein Markterkundungsverfahren hat stattgefunden.» Das Land
habe zunächst einen Einjahresvertrag abgeschlossen.