Modellkommunen wackeln wegen Notbremse - Lockdown wird verlängert

Für Niedersachsens Ministerpräsident Weil sind die Öffnungen in den
Modellkommunen ein Prestigeprojekt, um als Vorreiter auf dem Weg aus
der Krise dazustehen. Doch die Umsetzung ist fraglich.

Hannover (dpa/lni) - Niedersachsens Landesregierung hat angesichts
der geplanten Bundes-Notbremse zur Eindämmung des Coronavirus ihre
Strategie mit Öffnungen in Modellkommunen verteidigt.
Ministerpräsident Stephan Weil drang am Dienstag darauf, dass das
Land den Modellversuch weiterhin umsetzen kann. Er werde dem Bund
sehr raten, solche Modelle zuzulassen, sagte der SPD-Politiker. Im
vorliegenden Entwurf der Bundesregierung für die Verschärfung des
Infektionsschutzgesetzes sei das aber bisher nicht klar geregelt.

MODELLKOMMUNEN: «Wir brauchen solche Modelle, wenn Zahlen runter
gehen, aber wir noch sehr, sehr vorsichtig sein müssen», sagte Weil
über die testweise geplante Öffnung von Geschäften, Straßencafés
und
Kultureinrichtungen in gut einem Dutzend Städten. Das Modellprojekt
sieht vor, dass negative Corona-Tests zu «sicheren Zonen» führen
könnten. Zudem soll eine digitale Kontaktnachverfolgung die
Infektionsketten beherrschbarer machen, sollte es trotzdem zu
Ansteckungen kommen. Wie es mit dem Modellprojekt weitergehen wird,
werde sich aber erst zeigen, wenn das Infektionsschutzgesetz vom
Bundestag beschlossen sei - frühestens Mitte nächster Woche, sagte
Weil. Es bleibe nun abzuwarten, was sich noch ändern werde.

Bereits am Wochenende hatten sich die Landesregierung und die
kommunalen Spitzenverbände darauf verständigt, mit dem Modellprojekt
noch zu warten. Einen neuen Starttermin gibt es aber noch nicht.
Grünen-Fraktionschefin Julia Willie Hamburg warf Weil vor, er mache
sich «mehr Sorgen darüber, dass zusätzliches Testen die Pläne für
die
Öffnungen in Modellkommunen gefährden könnte, als über die seit
Wochen beharrlich steigende Zahl der Corona-Erkrankten und die
knapper werdenden Kapazitäten auf den Intensivstationen».

LOCKDOWN: Die Landesverordnung mit den derzeit geltenden
Beschränkungen wird verlängert. Nach Angaben aus Regierungskreisen
ist eine Verlängerung um drei Wochen geplant. Die aktuelle
Corona-Verordnung des Landes läuft am Sonntag aus. Sobald die
Änderung des Infektionsschutzgesetzes auch Bundestag und Bundesrat
passiert habe, werde Niedersachsen prüfen, welche Veränderungen für
die Landesverordnung notwendig seien, sagte Weil. Zu der Notbremse
gebe es aber noch viele Kritikpunkte und offene Fragen.
FDP-Fraktionschef Stefan Birkner forderte vor der endgültigen
Beschlussfassung eine intensive Debatte im Landtag.

TESTPFLICHT: Die vom Bund beschlossene Verpflichtung von Unternehmen,
ihren Mitarbeitern Corona-Tests anbieten zu müssen, betrifft in
Niedersachsen nach Worten von Weil nur wenige Arbeitgeber. In seinem
Bundesland machten 75 Prozent der Unternehmen schon Testangebote oder
bereiteten diese konkret vor, sagte er. Für die Mehrheit mache die
Vorschrift daher keinen Unterschied. Für die Minderheit derer, die
keine Tests anböten, sei eine Verpflichtung jedoch «nicht nur eine
Frage des Infektionsschutzes, sondern auch der Fairness». Vergangene
Woche hatte der Regierungschef in Sachen Tests am Arbeitsplatz noch
auf Freiwilligkeit gesetzt. «Mir ist es viel lieber, wir kommen
praktisch voran, und zwar auf freiwilliger Basis, als dass die
Politik gezwungen ist, mit Zwang und Pflichten zu arbeiten», hatte er
damals gesagt.

IMPFUNGEN: Niedersachsens Impfzentren müssen voraussichtlich länger
als geplant auf den vierten in Deutschland zugelassenen
Corona-Impfstoff warten. Ursprünglich sollte das Land in dieser Woche
die ersten rund 21 600 Impfstoffdosen des US-Herstellers Johnson &
Johnson erhalten. Damit sollten zunächst gezielt Menschen über 80
Jahre geimpft werden, sagte die Vize-Leiterin des Krisenstabs,
Claudia Schröder, am Dienstag in Hannover. Was übrig bleibe, sei für

die Impfung von Schul- und Kitapersonal vorgesehen. Nur wenige
Stunden später allerdings verschob Johnson & Johnson nach Berichten
über Thrombosen seinen Marktstart in Europa. Das Präparat des
US-Herstellers hätte nach Schröders Worten als erster Impfstoff in
Deutschland den Vorteil, dass nur eine einzige Impfung notwendig ist.
In den USA haben die Behörden bereits eine Aussetzung der Impfungen
mit Johnson & Johnson empfohlen. Hintergrund sind sechs Fälle von
Sinusvenenthrombosen, die nach den Impfungen auftraten.