Bayern will noch im Mai auch ohne Priorisierung impfen

Hunderttausende Menschen warten in der Corona-Pandemie händeringend
auf die erlösende E-Mail vom Impfzentrum. Doch noch wird weitgehend
strikt nach der vom Bund vorgegebenen Reihenfolge vorgegangen. In
Bayern soll sich das bereits im Mai ändern.

München (dpa/lby) - Bayern will sich bereits in gut einem Monat von
der Impf-Priorisierung lösen und im Kampf gegen das Coronavirus
breite Bevölkerungsschichten immunisieren lassen. Von Mitte Mai an
sollen unter anderem auch Betriebsärzte ihre Belegschaften impfen
können, sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am Dienstag
nach einer Kabinettssitzung in München.

In Bayern seien bereits drei Millionen Impfdosen verabreicht worden.
860 000 Menschen hätten vollen Impfschutz erhalten. «Wir wollen alles
dafür tun, dass wir da tatsächlich noch schneller vorankommen», sagte

der Minister. «Ich höre schon von einigen Impfzentren, dass es sehr
schnell durchgeht, manche sind schon in der dritten
Priorisierungsstufe», betonte er.

«Ich glaube, wir werden diese Priorisierung spätestens im Mai aus
meiner Sicht aufgeben müssen.» Bereits jetzt werden etwa in Hotspots
wie Hof Sonderkontingente an alle Erwachsenen verabreicht.

Personen, die 15 Tage nach ihrer Zweitimpfung als Kontaktperson eines
Geimpften eingestuft werden, müssen künftig in Bayern nicht mehr in
die Quarantäne. Eine entsprechende Allgemeinverfügung sei am Dienstag
ebenfalls verabschiedet worden, sagte Holetschek.

Insgesamt nimmt die Dramatik der Corona-Lage in Bayern nach
Einschätzung der Landesregierung weiter zu. «Die Lage ist weiter
besorgniserregend», sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann
(CSU). Die Inzidenz im Land liege bei 160, im Vergleich zur Vorwoche
gebe es 100 Prozent mehr Todesfälle. Zudem seien die
Intensivstationen immer stärker ausgelastet. Generell sei zu
beobachten, dass gerade Jüngere stärker von Infektionen betroffen
seien. Rund fünf Prozent aller registrierten Corona-Tests seien
derzeit positiv, Tendenz steigend. Einziger Lichtblick sei die
positive Entwicklung bei den Impfungen.

Dennoch hat die Landesregierung eine Lockerung beschlossen: Bei
Versammlungen in geschlossenen Räumen wird die absolute Begrenzung
auf höchstens 100 Personen gestrichen. Stattdessen wird ähnlich wie
bei Gottesdiensten nun festgeschrieben, dass sich die Zahl der
zulässigen Teilnehmer an der Zahl der nach den Hygieneregeln
vorhandenen Plätze orientiert, die Versammlung angemeldet werden muss
und alle Teilnehmer FFP2-Maske tragen müssen. Das Kabinett erfüllte
damit eine Vorgabe des bayerischesn Verwaltungsgerichtshofes.

Landkreise mit einer Sieben-Tagen-Inzidenz von über 200 bekommen
künftig mehr Spielraum, verpflichtend Tests anzuordnen - etwa in
bestimmten Unternehmen oder Einrichtungen, sagte Herrmann.

Derweil werden wegen der Corona-Krise die Intensivbetten langsam
wieder knapp. In den vergangenen drei Wochen sei die Auslastung der
sogenannten ICU-Betten um 43,5 Prozent gestiegen, sagte
Gesundheitsminister Holetschek. Die Situation sei «noch
beherrschbar», bereite angesichts der steigenden Infektionszahlen
aber Sorgen. Nach Angaben des Geschäftsführers der bayerischen
Krankenhausgesellschaft, Roland Engehausen, werde der bisherige
Höchststand bei der Belegung von Intensivbetten vom Januar dieses
Jahres in den nächsten zwei Wochen überschritten. «Die Frage ist nur:

Wohin geht es noch?»

Der bayerische Ministerrat verlängerte am Dienstag den geltenden
Lockdown mit allen Maßnahmen bis zum 9. Mai - unabhängig von einer
möglichen bundesweiten Regelung zur sogenannten Notbremse. Der
geplanten Änderung auf Bundesebene werde sich Bayern nicht in den Weg
stellen, kündigte Staatskanzleichef Herrmann an. Die Freien Wähler
als kleinerer Koalitionspartner hatten zuvor Widerstand angekündigt,
weil sie bayerische Lockerungen bei den Corona-Maßnahmen in Gefahr
sehen. Es handele sich jedoch nicht um ein Gesetz, bei dem die aktive
Zustimmung des Bundesrates nötig sei. Es werde «vermutlich auf eine
Enthaltung» Bayerns im Bundesrat hinauslaufen, sagte Herrmann.

Den Schulstart nach den Osterferien bezeichnete Kultusminister
Michael Piazolo (Freie Wähler) als weitgehend positiv. 51 Prozent der
Schülerinnen und Schüler in Bayern gingen noch in den Präsenz- oder
Wechselunterricht, und müssten sich nun verpflichtend testen. Es gebe
unter den eine Million Schülerinnen und Schülern in Bayern auch
Testverweigerer. Diese könnten nicht am Unterricht teilnehmen und
müssten Ersatzangebote in Anspruch nehmen. «Wir tun das wegen der
Sicherheit der Schülerinnen und Schüler. Tests sind die große
Chance», sagte Piazolo.

Für Eltern, die ihre Kinder zur Reduzierung von Kontakten derzeit
nicht in die Kitas bringen, soll es weiterhin Erleichterungen geben.
«Im Interesse dieser Familien werden wir die Elternbeiträge auch für

die Monate April und Mai erstatten, wenn die Kinderbetreuung im
Notbetrieb oder im (eingeschränkten) Regelbetrieb monatlich höchstens
an fünf Tagen in Anspruch genommen wird», erklärte Sozialministerin
Carolina Trautner (CSU). Familien hätten auch weiterhin die
Möglichkeit zu wechselseitigen, privat organisierten,
Eltern-Betreuungsgruppen mit Kindern aus höchstens zwei Hausständen.