Österreichs Gesundheitsminister tritt nach Kreislaufkollaps zurück

Rudolf Anschober war seit der zweiten Corona-Welle ein Mahner und
warnte vor schnellen Öffnungen. Zuletzt fühlte er sich in der
Regierung oft allein. Sein Abschied war emotional.

Wien (dpa) - Mitten in der Corona-Pandemie hat Österreichs
Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) aus gesundheitlichen
Gründen seinen Rücktritt erklärt. Der 60-Jährige gab am Dienstag in

Wien bekannt, dass er vor einer Woche einen zweiten Kreislaufkollaps
erlitten habe. «Ich habe gemerkt: Da muss ich jetzt für mich
eine Notbremse ziehen.» Er habe 14 Monate praktisch durchgearbeitet .
Das Land brauche in dieser Phase jedoch einen absolut fitten
Gesundheitsminister. Bei seinem Rücktritt war Anschober den Tränen
nahe.

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) reagierte anerkennend: «Er hat sich in
den vergangenen 16 Monaten für unser Land aufgeopfert sowie als
Gesundheitsminister seine gesamte Energie in die Bekämpfung der
Corona-Pandemie gesteckt.» Die Nachfolge im Gesundheitsressort
übernimmt der Arzt Wolfgang Mückstein, der in Wien eine Praxis
betreibt. Der 46-Jährige ist dann auch für Soziales, Pflege,
Verbraucher- und Tierschutz zuständig.

Mückstein berichtete bei seiner Vorstellung aus dem Corona-Alltag
eines Mediziners: «Wir haben sehr stark die Kollateralschäden
wahrgenommen.» Er betreibt in Wien eine Gemeinschaftspraxis, die
nicht nur medizinische Versorgung, sondern auch Psychotherapie und
Betreuung durch Sozialarbeiter anbietet. Zudem war er bislang schon
in einem Verein Grüne Ärztinnen und Ärzte aktiv.

Anschober sagte zum Abschied, als Mahner vor zu schnellen Öffnungen
in der dritten Corona-Welle habe er sich zuletzt «oft sehr allein
gefühlt». Zudem müsse er seit Monaten wegen Morddrohungen von
Personenschützern bewacht werden. Das unbefangene Gespräch mit
Bürgern auf der Straße, das eine seiner Energiequellen gewesen sei,
sei damit nicht mehr möglich gewesen, bedauerte der über
Parteigrenzen hinweg geachtete Politiker. Auch sei er vermehrt mit
Parteitaktik und Populismus konfrontiert gewesen, ließ Anschober
Kritik am Koalitionspartner anklingen.  

Der Grünen-Politiker leitete seit dem Start der Regierung aus
konservativer ÖVP und Grünen im Januar 2020 das
Gesundheitsministerium, das in der Pandemie zum Schlüsselressort
wurde. Er hatte vor neun Jahren als Landesminister in Oberösterreich
einen Burnout erlitten. 

Vonseiten der Opposition erklärten die liberalen Neos, dass der
Schritt bei allem persönlichen Respekt für Anschober eine gute
Entscheidung sei. Es sei der Eindruck entstanden, dass es auf Ebene
der Bundesregierung keine wirkliche Kommandobrücke mehr gebe, sondern
die Landeschefs das Heft des Handels übernommen hätten, so
Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Die Sozialdemokraten werteten den
Rücktritt auch als Folge regierungsinterner Konflikte. «Er wurde von
Kanzler Kurz oft im Regen stehen gelassen», so SPÖ-Fraktionsvize Jörg

Leichtfried.   

Im Sommer 2020 war Anschober durch sein sachliches Auftreten
zeitweise so populär, dass er Kurz vom Spitzenplatz in der
Beliebtheitsskala der Bundespolitiker verdrängt hatte. «Einer meine
r
Vorzüge ist es, dass ich in Krisensituationen tatsächlich sehr ruhig
werde», sagte Anschober einmal. Auf sein Konto gingen aber auch
zahlreiche fachliche Fehler bei der Flut von Verordnungen, die sein
Haus in der Pandemie erließ. Zuletzt wurden ihm auch Probleme beim
Impfstart und Kommunikationspannen angekreidet.

Kurz und die ÖVP hatten vor wenigen Wochen einen von Anschobers
Spitzenbeamten medial attackiert, der die Bestellung von zusätzlichen
Impfdosen versäumt haben soll. Der Kanzler brachte dieses Thema ins
Spiel, als Anschober nach seinem ersten Kollaps im Krankenstand war.
Anschober gab seinem Nachfolger als besonders wichtige Aufgaben die
weitere Steigerung der Bereitschaft zu Corona-Tests und vor allem zu
Impfungen mit auf den Weg. Er selbst spiele mit der Idee, einen
politischen Roman zu schreiben.  

Durch den Schritt Anschobers muss im Kabinett Kurz zum zweiten Mal
ein Regierungsmitglied ausgewechselt werden. Im Januar war Familien-
und Arbeitsministerin Christine Aschbacher nach Plagiatsvorwürfen
rund um ihre Magisterarbeit und Dissertation zurückgetreten.