Debatte über Corona-Demo im Landtag - schärfere Auflagen möglich?

Nach dem Streit um den Stuttgarter Massenprotest gegen die
Corona-Politik muss sich Oberbürgermeister Frank Nopper im Landtag
verteidigen. Auch zwei Minister werden zur Rede gestellt. Dabei
scheint die Stadt ihre Lehren schon gezogen zu haben.

Stuttgart (dpa/lsw) - Nach den verstörenden Bildern vom Stuttgarter
Massen-Protest gegen die Corona-Auflagen fordern Politiker mehrerer
Parteien schärfere Auflagen und Verbote bei weiteren Demonstrationen.
Im Innenausschuss des baden-württembergischen Landtags wurde zwar die
Bedeutung des Demonstrationsrechts betont. Abgeordnete und Minister
verurteilten aber auch die von der Stadt Stuttgart erteilte Erlaubnis
für die Demonstration auf dem Cannstatter Wasen und brachten eine
strengere Auslegung oder sogar Änderung der Coronaverordnung ins
Spiel. Sozialminister Manne Lucha (Grüne) erneuerte seine scharfe
Kritik an der Stadtverwaltung.

Die Demonstration hätte nach seiner Einschätzung durchaus verboten
werden können, sagte er. «Ein Verbot auf Grundlage des
Versammlungsgesetzes hätte nach den vorliegenden Informationen
grundsätzlich ausgesprochen werden können, sofern zum Zeitpunkt der
Entscheidung davon auszugehen war, dass nach den erkennbaren
Umständen des Einzelfalls die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei
Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet würde», sagte
Lucha. Davon könne ausgegangen werden, wenn Tausende Menschen dicht
gedrängt und ohne Masken durch die Stadt liefen, kritisierte er.
«Auflagen stoßen hier an Ihre Grenzen, ein Verbot der Versammlung ist
damit möglich.» Die Stadt hätte zumindest die Anzahl der
Teilnehmenden begrenzen sowie einen festen Ort zuweisen können - und
vielleicht auch müssen.

Innenminister Thomas Strobl (CDU) forderte im Ausschuss strenge
Auflagen für ähnliche weitere Proteste. «Ein Verlauf wie am
Karsamstag in Stuttgart mit kollektiven Verstößen gegen die Abstands-
und Hygieneregeln darf sich nicht wiederholen.» Verbote von größeren

Veranstaltungen müssten konsequent in Betracht gezogen und bei einer
Erlaubnis schärfere Auflagen erteilt werden.

Der Protest an Karsamstag war von der «Querdenken»-Bewegung
angemeldet worden. Auf dem Cannstatter Wasen hatten sich zeitweise
bis zu 15 000 Menschen größtenteils ohne Masken und Mindestabstand
versammelt und die Stadt in große Erklärungsnot gebracht. Die Debatte
um das Verbot hatte in den vergangenen Tagen zu deutlichen Spannungen
zwischen der Landesregierung und der Stadtverwaltung geführt. Es geht
dabei vor allem um die Frage, warum der schließlich ausgeuferte
Protest nicht von vorneherein verboten wurde - so wie es die Stadt
bei den beiden angemeldeten kommenden Protesten auch tun möchte.

Das Sozialministerium hatte bereits kurz nach dem Protest am
Karsamstag gewarnt, Demonstrationen wie in Stuttgart seien «eine
gesamtgesellschaftliche Gefährdung und dazu geeignet, die dritte
Corona-Welle zu befördern». Den Demonstranten sei es nicht um
Freiheitsrechte gegangen, sondern darum, die demokratische
Grundordnung zu stören.

Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper verteidigte aber erneut die
Erlaubnis für die ausgeuferte Demonstration und verwies im
Innenausschuss auf die rechtlichen Vorgaben. Es habe im Fall des
Massenprotests am Karsamstag keine Voraussetzung für ein
Versammlungsverbot vorgelegen. Die Erfahrungen vom Osterwochenende
zeigten jedoch, dass es eine «Radikalisierung der sogenannten
Querdenker» gegeben habe.

Wären die massiven Verstöße im Vorfeld absehbar gewesen, hätte die

Stadt die Demonstration verbieten können, wie Nopper sagte. Das sei
aber nicht der Fall gewesen. «Hinterher ist man immer klüger»,
ergänzte er. Ein pauschales Verbot sei auch künftig nicht rechtmäßi
g.
Man müsse jeden einzelnen Fall prüfen.

Allerdings legen sich auch die Gerichte nicht eindeutig fest, wann
die Gegner der Corona-Politik auf die Straße gehen können und wann
nicht. Für das vergangene Wochenende hatten zum Beispiel die Städte
Heilbronn und Rastatt geplante Demos mit Verweis auf den
Infektionsschutz untersagt. In beiden Fällen wehrten sich die
Veranstalter.

Während aber das Verwaltungsgericht Karlsruhe das Verbot für Rastatt
bekräftigte, kippten die Stuttgarter Richter jenes für die
Versammlung der «Querdenker» in Heilbronn. Dort demonstrierten 150
statt der angemeldeten 300 Teilnehmer friedlich. In Rastatt kamen
trotz des Verbots Demonstranten zusammen. Die Polizei zählte mehr als
80 Platzverweise, 60 Anzeigen wegen Verstößen gegen die
Corona-Verordnung und 4 eingeleitete Strafverfahren.