Finanzministerin kritisiert Rufe nach schärferen Corona-Maßnahmen Von Oliver von Riegen, dpa

Die Forderungen nach schärferen Corona-Maßnahmen gegen die dritte
Infektionswelle nehmen zu. Brandenburgs Finanzministerin Lange
fordert mehr Perspektive und Berechenbarkeit.

Potsdam (dpa/bb) - Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD)
hat einen Strategiewechsel in der Corona-Krise gefordert und mehr
Perspektiven verlangt. «Meiner Meinung nach kann man nicht 83
Millionen Menschen dauerhaft sagen, am besten bleibt ihr alle immer
zu Hause. Irgendwann geht das so nicht mehr», sagte Lange der
Deutschen Presse-Agentur. «Was fehlt, sind klare Perspektiven für
Bürger und Unternehmen.» Die Politik müsse in der Krise mehr Hoffnung

vermitteln. «Was auch fehlt, ist eine gewisse Verbindlichkeit und
Berechenbarkeit.»

Die stellvertretende SPD-Landeschefin kritisierte die Debatte über
schärfere Corona-Maßnahmen. «Es entsteht bei vielen Menschen auch
zunehmend der Eindruck, die einzige Antwort seit über einem Jahr ist
immer nur der Lockdown - ob «Wellenbrecher»-, «Brücken»- oder
Sonstwas-Lockdown», sagte Lange. «Dass so die Unzufriedenheit bei den
Leuten steigt, kann man niemandem verdenken.» Damit kritisierte sie
auch die Forderung des CDU-Bundeschefs und Ministerpräsidenten von
Nordrhein-Westfalen Armin Laschet nach einem «Brücken-Lockdown», um
die Zeit zu überwinden, bis viele Menschen geimpft sind.

Die Finanzministerin forderte mehr Berechenbarkeit. Schlagworte wie
«Brücken-Lockdown» schafften kein Vertrauen, sondern Unsicherheit,
sagte Lange. «Die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin haben
im März gemeinsam Beschlüsse gefasst. Jetzt redet man schon wieder
über neue Maßnahmen, obwohl noch gar nicht alle Länder diese
Maßnahmen umgesetzt haben. Ich kann aber nicht schon wieder eine neue
Sau durchs Dorf treiben und die alte ist noch nicht ganz raus.»

Die Ministerin rechnet mit «sehr schwerwiegenden Auswirkungen» der
Corona-Krise auf viele kleine und mittlere Unternehmen. «Viele
Unternehmen schließen einfach. Niemand weiß, ob die je wieder
aufmachen», sagte Lange. «Gerade hier in den ostdeutschen Ländern,
die sich in 30 Jahren etwas aufgebaut haben, steht derzeit sehr viel
auf dem Spiel.» Das werde man nicht alles auf Dauer mit Geld zudecken
können. Die SPD-Landesvizechefin hatte im Februar Verständnis für
Kritik von Eiskunstläuferin Katarina Witt am Corona-Lockdown und den
Folgen gezeigt.

«Hilfen für Unternehmen sind leider langsamer geflossen als
angekündigt», sagte Lange. «Auch der Impfstart gestaltete sich
anfangs holprig und schwieriger als in anderen Ländern. Da wurde aber
vom Ministerpräsidenten gegengesteuert, nun läuft es deutlich
besser.» Es gibt trotzdem Dinge, die man den Menschen nur noch sehr
schwer erklären kann.» SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke hatte vom

grün-geführten Gesundheitsministerium mehr Tempo beim Impfen
gefordert, die Organisation wechselte dann zum CDU-Innenministerium.

Nach Angaben der Bundesregierung fällt die für Montag vereinbarte
Runde von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten
der Länder aus. Stattdessen soll das Infektionsschutzgesetz
nachgeschärft werden, um bundesweit einheitliche Regelungen für
Regionen mit hohen Infektionszahlen zu schaffen.