Ministerium besorgt wegen «Querdenker»-Demo - Stadt: kein Verbot möglich

Tausende Corona-Leugner der «Querdenker»-Bewegung werden am Samstag
in Stuttgart erwartet. Dass die Teilnehmer sich an die Auflagen wie
das Maskentragen halten, wird offiziell bezweifelt.

Stuttgart (dpa/lsw) - Vor der für Samstag in Stuttgart geplanten
«Querdenker»-Demonstration hat das Gesundheitsministerium
eindringlich darauf hingewiesen, dass die Corona-Verordnung durchaus
ein Verbot hergebe. «Meine Prognose ist, dass die Hygieneregeln bei
der Veranstaltung nicht eingehalten werden», sagte
Ministerialdirektor Uwe Lahl am Freitag.

Die Stadt Stuttgart sieht allerdings nach wie vor keine Handhabe für
ein Verbot. «Die Latte für ein Versammlungsverbot hängt sehr hoch»,

sagte Ordnungsbürgermeister Clemens Maier. «Wir können rechtlich
nichts gegen diese Versammlung unternehmen und haben nur die
Möglichkeit, über Auflagen zu arbeiten». Sollten diese aber nicht
beachtet werden, werde die Versammlung aufgelöst.

Am Samstag sind nach Angaben der Stadt Stuttgart mindestens vier
Demonstrationen gegen die Pandemie-Einschränkungen geplant, darunter
eine Kundgebung der sogenannten Querdenken-Bewegung am Nachmittag
(16.00 Uhr) auf dem Cannstatter Wasen. Die Veranstalter erwarten zu
diesem Protest rund 2500 Teilnehmer. Nach Angaben eines
Polizeisprechers von Donnerstag wird auch mit Gegendemonstranten
gerechnet.

Lahl hatte seine Bedenken auch in einem Brief an Maier geäußert. Für

ein vollständiges Versammlungsverbot als letzte Maßnahme gelten zwar
hohe Hürden. «Von vornherein aufgrund der Corona-Verordnung
ausgeschlossen ist ein solches Verbot jedoch nicht», erklärte Lahl in
dem Schreiben.

Maier sagte, er hätte sich gewünscht, dass es für solche
Versammlungen Regeln wie für die gottesdienstlichen Veranstaltungen
gibt. Laut einer Verordnung des Kultusministeriums seien
Veranstaltungen im Freien nur mit maximal 500 Personen erlaubt. Gäbe
es eine solche Verordnung auch aus dem Sozialministerium, «dann wären
wir als Stadt aus der Begründungspflicht für ein Verbot raus.» Der
Stadt sei es lieber, dass die Versammlung an einem Ort stattfindet,
als dass sich die Teilnehmer unkontrolliert in der Stadt bewegen.

Im vergangenen Sommer hatten auf dem Wasen am Neckar bis zu 10 000
Menschen demonstriert. Zuletzt hatte am 20. März eine Demonstration
in Kassel mit mehr als 20 000 Menschen für Schlagzeilen gesorgt -
erlaubt waren nur 6000. Es kam zu teils gewalttätigen
Auseinandersetzungen. Viele Teilnehmer hielten sich nicht an Auflagen
wie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Kritiker hatten der Polizei
dort ein zu zurückhaltendes Auftreten bei der Demo der
Corona-Maßnahmen-Gegner vorgeworfen.

Die «Querdenken»-Bewegung und ihre Mitstreiter sprechen sich gegen
die derzeitigen Corona-Maßnahmen aus. Die Bewegung wird vom Landesamt
für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg beobachtet. Mehrere
maßgebliche Akteure ordnet das Landesamt dem Milieu der
«Reichsbürger» und «Selbstverwalter» zu, die die Existenz der
Bundesrepublik leugnen und demokratische und rechtsstaatliche
Strukturen negieren. Die «Querdenken»-Bewegung weist diese Vorwürfe
zurück.