Familie lässt kranke Tochter sterben - BGH hebt Limburger Urteil auf

Karlsruhe (dpa) - Der Fall einer kranken jungen Frau mit Downsyndrom,
der die Familie beim Sterben zusah, ohne Hilfe zu holen, muss noch
einmal neu vor Gericht verhandelt werden. Der Bundesgerichtshof (BGH)
hob am Mittwoch die Verurteilung der Eltern aus Mittelhessen zu
jeweils zwei Jahren Haft auf Bewährung auf. Auch der Freispruch für
die Schwester der Toten hatte keinen Bestand. Das Landgericht Limburg
habe sein Urteil nicht ausreichend begründet, bemängelten die
obersten Strafrichter in Karlsruhe. (Az. 2 StR 109/20)

Die zuckerkranke Tochter, die bis dahin immer gefördert und
medizinisch gut versorgt worden war, war 2016 mit 21 Jahren durch
Insulin-Mangel gestorben. Am Tag ihres Todes hatte sich ihr Zustand
dramatisch verschlechtert. Trotzdem riefen Eltern und Schwester
keinen Arzt, sondern versammelten sich am Abend bei der Sterbenden im
Wohnzimmer. Die Schwester hielt sie im Arm, als der Atem aussetzte.
Erst dann wählte die Familie den Notruf - viel zu spät.

Die Richter am Landgericht, die kein Motiv finden konnten, hatten die
Eltern 2019 - nur - wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, nicht wegen
Totschlags durch Unterlassen. Die Schwester, die wegen unterlassener
Hilfeleistung angeklagt war, hatten sie freigesprochen.

Dagegen hatte die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Die
BGH-Richter stellten aber auch Rechtsfehler zuungunsten der Eltern
fest. Damit ist der Ausgang eines zweiten Prozesses offen. Er soll
nicht mehr in Limburg stattfinden, sondern am Landgericht Frankfurt.

Der Vorsitzende Richter Ulrich Franke sagte bei der
Urteilsverkündung, das Landgericht habe zwar Indizien aufgezählt,
diese aber nicht in der Gesamtschau gewürdigt. Stattdessen werde das
Urteil nur mit dem Abstimmungsergebnis im Senat begründet. Franke
sagte, als Straftatbestand komme auch Körperverletzung mit Todesfolge
infrage. Bei der Schwester werde zu prüfen sein, ob diese bei der
Betreuung und Pflege eine Schutzfunktion übernommen habe, die sie
auch unabhängig von den Eltern zum Eingreifen verpflichtet hätte.