Günther-Appell: Keine privaten Treffen - Corona-Gipfel in Präsenz Von Wolfgang Schmidt, dpa

Keine Treffen in der Wohnung! Der Aufruf von Regierungschef Günther
an die Schleswig-Holsteiner ist eindringlich. Er schließt bei höheren
Corona-Zahlen auch eine Verschärfung des Regelwerks nicht aus. Für
die Beratungen mit der Kanzlerin hat Günther einen besonderen Wunsch.

Kiel (dpa/lno) - Ministerpräsident Daniel Günther hat die
Schleswig-Holsteiner aufgerufen, in den nächsten drei Wochen auf
private Treffen in geschlossenen Räumen zu verzichten. Wenn solche
Begegnungen nicht vermeidbar seien, solle man eine Maske tragen und
vorher einen Corona-Test machen, sagte der CDU-Politiker am Montag in
Kiel. Wer sich treffen wolle, solle das draußen tun. Hintergrund: Ein
Großteil der Infektionen geschieht in geschlossenen Räumen im
privaten Bereich.

Die Corona-Zahlen seien im Norden zwar deutlich niedriger als im
Bundesschnitt, aber sie stiegen auch hier, sagte Günther. Das gelte
auch für die Auslastung der Krankenhäuser, auch wenn das Land hier
noch weit von Zahlen anderer Bundesländer entfernt sei. Für den Fall,
das Infektionsgeschehen mit dem bestehenden Regelwerk nicht in den
Griff bekommen zu können, zog Günther eine Verschärfung des
Maßnahmenkatalogs in Betracht.

Er hält eine kurzfristige Konferenz von Kanzlerin Angela Merkel und
Ministerpräsidenten nicht für erforderlich. Es gebe ein Regelwerk,
das Schleswig-Holstein konsequent anwende, sagte Günther. Zuletzt
hatte sich die Runde vor einer Woche getroffen und eine
Ruhetagsregelung für Ostern beschlossen, die später kassiert wurde.

Günther plädierte dafür, Bund-Länder-Konferenzen zur Pandemie unter

den gängigen Regeln in Präsenz abzuhalten. Dies sei zwingend
notwendig. «Was ich mir auch wünsche ist, dass wir da ohne
technisches Equipment zusammensitzen.» Er sage das sehr deutlich:
«Wir brauchen auch Räume, in denen wir uns unterhalten, ohne dass
jede Aussage sofort nach draußen dringt». Er habe «keinen Bock» meh
r
darauf, sich jedes Mal Gedanken machen zu müssen, was danach irgendwo
veröffentlicht wird.

«Von daher wünsche ich mir, dass dieses Spektakel zukünftig so nicht

mehr stattfindet», sagte Günther. Man müsse sich disziplinieren. «I
ch
gebe auf jeden Fall mein Handy auch freiwillig ab, wenn es nicht
gefordert wird, um auch ein Zeichen zu setzen, aber ich würde mir
wünschen, dass das auch alle Anderem machen.» Dann könne man
zumindest ausschließen, dass irgendwelche Informationen herausgehen.

In Schleswig-Holstein stieg die Zahl der Neuinfektionen zuletzt
weiter auf 68,5 pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen. Das war
der niedrigste Wert in Deutschland. Zwei Kreise überschritten die
wichtige Inzidenzmarke 100: Segeberg (113,6) und Pinneberg (110,1).
Im Krankenhaus wurden zuletzt 199 Corona-Patienten behandelt, 51 von
ihnen intensivmedizinisch, 27 wurden beatmet.

Der Stufenplan des Landes greife bei steigenden und bei sinkenden
Werten, betonte Günther. Deswegen sollen in den Kreisen Pinneberg und
Segeberg und auch in Flensburg, wo die Inzidenz zwischenzeitlich
unter 100 gesunken war, ab Donnerstag verschärfte Maßnahmen gelten.
Und wenn die Inzidenz landesweit über 100 steige, greife die
Notbremse auch landesweit, auch Kreise mit deutlich niedrigeren
Zahlen eingeschlossen. Bei einer landesweiten Inzidenz unter 100 soll
wie geplant am 12. April die Außengastronomie öffnen können. Bei
sieben Tagen unter 100 sind ab 19. April Öffnungs-Modellprojekte in
Tourismus, Kultur und Sport vorgesehen.

Kanzlerin Merkel hatte am Sonntag in der ARD-Sendung «Anne Will»
gesagt, sie denke über Wege nach, den Ländern klarere Vorgaben zu
machen. Sie werde nicht zuschauen, bis es 100 000 Neuinfektionen am
Tag gebe. «Wir sind verpflichtet, qua Gesetz, das Infektionsgeschehen
einzudämmen. Und im Augenblick ist die Eindämmung nicht da.»

Die Pandemie könne nur im Schulterschluss von Bund und Ländern
erfolgreich bekämpft werden, sagte Günther. Und wer für Maßnahmen
seine Hand gehoben habe, müsse sie auch umsetzen. Auf die Frage nach
Ausgangssperren sagte Günther, in Flensburg habe es eine solche von
21.00 bis 5.00 Uhr gegeben, als die Werte sehr hoch waren. «Wir
würden das auch wieder machen, wenn Zahlen entsprechend hochgehen.»
Aber nach seiner Überzeugung sei anderes wirkungsvoller. So sei in
Flensburg eine komplette Kontaktbeschränkung das «schärfste Schwert
»
gewesen. Dies könne man aber nicht sehr lange machen. Er schließe
nicht aus, wenn Zahlen auch mit den derzeitigen Regeln nicht
aufgehalten werden könnten, hier nachzuschärfen, sagte Günther.

SPD-Fraktionschef Ralf Stegner forderte, die unterschiedlichen
Infektionszahlen zu berücksichtigen. «Was in Pinneberg oder Bad
Segeberg angemessen sein kann, kann in Nordfriesland völlig überzogen
sein.» In Landesteilen mit Inzidenzen von dauerhaft über 100 müsse
die Ampel auf Rot springen.