Zahnarzt rechnet falsch ab und kassiert eine Million Euro - Haftstrafe Von Karen Katzke, dpa

Er hatte eine gute Praxis, führte ein teures Leben. Dann geriet er in
Schieflage und betrog in großem Stil. Ein Gericht sprach jetzt das
Urteil.

Kiel (dpa/lno) - Ein Zahnarzt aus Kaltenkirchen ist wegen
Abrechnungsbetrugs in Höhe von knapp einer Million Euro zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt
worden. Die 7. Große Strafkammer am Kieler Landgericht ordnete am
Mittwoch zugleich die Einziehung von rund 340 000 Euro an. Für die
Forderung der Staatsanwaltschaft nach einem dreijährigen Berufsverbot
als selbstabrechnender Zahnarzt sah die Kammer nicht die
erforderlichen Voraussetzungen.

Nach Feststellungen des Gerichts geriet der einst sehr erfolgreiche
Zahnarzt mit gut gehender Praxis, gehobenem Lebensstil und teuren
Autos nach 2005 in persönliche und finanzielle Schieflage. Nach einem
tödlichen Autounfall sei er wegen fahrlässiger Tötung zu einer
Geldstrafe verurteilt worden, sagte der Vorsitzende Richter Stephan
Worpenberg. Später sei eine seiner Töchter schwer erkrankt, es habe
eine schwere Ehekrise gegeben. Der Zahnarzt habe schließlich wegen
eines Burnouts nicht mehr arbeiten können. Seinen teuren Lebensstil
habe er aber nicht den Umständen angepasst, sagte der Richter.

Stattdessen fingierte der Angeklagte dem Urteil zufolge von 2008 bis
2011 sehr teure Patientenbehandlungen und verkaufte die Forderungen
an Dienstleistungsgesellschaften (Factoringgesellschaften). Diese
zahlten ihm dafür den Rechnungsbetrag sofort aus - abzüglich einer
Bearbeitungsgebühr. Er selbst zahlte dann die Beträge in Raten zurück

- eine «Kreditierung auf Zeit», wie das Gericht feststellte.

Der 52-Jährige hatte weitgehend gestanden. Das Urteil geht auf eine
Verständigung der Verfahrensbeteiligten zurück. Sechs Monate gelten
wegen der überlangen Verfahrensdauer als bereits verbüßt. Den
Gerichtsauflagen zufolge muss der Mann vorerst bei seiner Mutter
einziehen und sich drei Mal die Woche bei der Polizei melden. Der
Haftbefehl gegen den Arzt, der rund acht Monate in Untersuchungshaft
saß, bleibe bestehen, sagte der Worpenberg. Der Angeklagte kommt aber
gegen strenge wöchentliche Meldeauflagen bis zum Strafantritt vorerst
wieder auf freien Fuß.

Der Zahnarzt flog auf, als gegen ihn verschiedene Strafanzeigen
eingingen. Inzwischen hat er nach Angaben der Staatsanwaltschaft rund
zwei Millionen Euro Schulden.

Laut Anklage hatte der Arzt rund 1,2 Millionen Euro falsch
abgerechnet. Nach der Beweisaufnahme hielt die Staatsanwaltschaft
aber nur noch 32 der ursprünglich 47 angeklagten Betrugsfälle für
erwiesen. Sie beantragte drei Jahre und zehn Monate Haft, von denen
sechs als bereits verbüßt gelten sollen.

Die Verteidigerin hatte drei Jahre und sechs Monate Gesamtstrafe
beantragt. Der Angeklagte hatte einen Großteil des Schadens bereits
beglichen. Der Kammervorsitzende rügte aber, dass er bei seinen
Betrugstaten auch einen Schwerbehinderten um sein Erbe von 80 000
Euro gebracht habe.