Start von «Grünem Pass»: Israel impft sich an die Normalität heran Von Sebastian Engel, dpa

In Israel wird sogar in Möbelmärkten geimpft. Das Land will die
Corona-Krise schnell hinter sich lassen und setzt dabei auch auf den
«Grünen Pass». Hunderttausende haben sich das Dokument bereits
beschafft - und dürfen jetzt wieder ins Theater oder Fitnessstudio.

Tel Aviv (dpa) - Sogar in Israel kann es im Winter kühl werden. Gut
ein Dutzend Unerschrockene hält das an diesem Morgen jedoch nicht
davon ab, im berühmten, direkt an der Promenade von Tel Aviv
gelegenen Gordon-Schwimmbad ihre Bahnen zu ziehen. Und minütlich
bekommen sie mehr Gesellschaft - dank eines neuen Instruments in der
Corona-Krise.

«Allein am Sonntag haben rund 1000 Menschen ihre Mitgliedschaft
erneuert», sagt Ofer Bachenheimer, der die technischen Abläufe des
Pools überwacht. Er strahlt, als er von diesem Ansturm berichtet.
Kein Wunder: Das Schwimmbad hatte seit Mitte August coronabedingt
geschlossen, erst seit Sonntag darf es wieder Besucher empfangen.

Möglich wurde die Wiedereröffnung durch den sogenannten Grünen Pass.

Corona-Geimpfte und -Genesene erhalten durch ihn schneller mehr
Grundrechte zurück. So dürfen Träger des Ausweises Fitnessstudios,
Hotels, Theater oder eben Schwimmbäder besuchen. Auch Beschränkungen
für Ungeimpfte wurden aufgehoben, aber längst nicht so viele. Egal ob
mit oder ohne Ausweis: Hygiene- und Abstandsregeln müssen weiterhin
eingehalten werden.

Nur wer seinen «Grünen Pass» vorzeigen kann, darf nach einem
Datenabgleich per Computer seine Mitgliedschaft erneuern und seine
Bahnen im Gordon-Schwimmbad ziehen. Einige Mitglieder, die sich nicht
impfen lassen wollten, seien sauer gewesen, fühlten sich
diskriminiert, sagt Bachenheimer. Aber da sei nichts zu machen. «Wir
halten uns an die Regeln.»

Nicht nur einige Hobby-Schwimmer, auch viele andere Impfgegner fühlen
sich ungerecht behandelt. Manche von ihnen kritisieren die Vorteile,
die der Pass bietet, auch als illegitimes Druckmittel seitens der
Regierung. Hitzig diskutiert wird darüber vor allem in sozialen
Netzwerken, ansonsten nimmt die Debatte aber nicht so große
Dimensionen an wie etwa in Deutschland. Ändern könnte das ein am
Mittwoch vom Parlament beschlossenes Gesetz, das es erlaubt, Daten
von Bürgern, die noch nicht gegen das Coronavirus geimpft sind, an
lokale Behörden sowie das Erziehungs- sowie das Sozialministerium zu
übermitteln.

Israels Regierung will so schnell wie möglich so viele Menschen wie
möglich impfen, um die Corona-Krise hinter sich zu lassen. Der «Grüne

Pass», den jeder Genesene oder Geimpfte eine Woche nach der zweiten
Spritze per App nachweisen oder aus dem Internet herunterladen und
ausdrucken kann, dient dabei als besonderer Anreiz. Er ist auch mit
Einreiseerleichterungen verbunden - den meisten Israelis ist das
Reisen seit Pandemiebeginn nur in Ausnahmefällen möglich gewesen.

Nach offiziellen Angaben erhielten seit Beginn der Impfkampagne kurz
vor Weihnachten etwa 4,5 Millionen Menschen die Erst- und mehr als
drei Millionen die Zweitimpfung. Israel hat rund 9,3 Millionen
Einwohner. Davon sind 6,4 Millionen über 16 Jahre alt, nur sie können
geimpft werden. Rund 755 000 Israelis gelten als genesen von einer
Corona-Erkrankung.

Um Unentschlossene noch zu erreichen, lassen sich die
Verantwortlichen immer kreativere Ideen einfallen. Wer sich eine
Spritze verabreichen lässt, bekommt dafür schon einmal Pizza oder
Hummus als «Belohnung». Geimpft wird in Israel zudem gelegentlich
auch abends in Bars. Sogar in den fünf Ikea-Filialen des Landes war
dies zuletzt kurzzeitig möglich. Insgesamt 500 Menschen ließen sich
dort am Sonntag und Montag impfen, wie ein Sprecher des
Rettungsdienstes Magen David Adom sagt.

Der Erfolg der Kampagne stützt sich vor allem auf das digitalisierte
Gesundheitswesen und ausreichend zur Verfügung stehenden Impfstoff.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verständigte sich mit dem
Hersteller Pfizer auf einen Deal, der vereinfacht lautet: Die Firma
stellt die Versorgung mit Impfstoff sicher, das Land liefert dafür
Daten zur Impfkampagne, die Aufschluss geben über die Wirksamkeit des
Präparats.

Der Aufschrei wegen Datenschutzbedenken fiel dabei in etwa so laut
aus wie die Empörung über Nachteile für Ungeimpfte durch den «Grü
nen
Pass». Zuletzt sorgten aber eher Startschwierigkeiten beim
Herunterladen von App und Pass für Aufregung. So stürzte die «Ramzor
»
genannte App bei manchen Anwendern immer wieder ab.

Für Rona Kaiser, die im Gesundheitsministerium die Digital-Abteilung
leitet und dort verantwortlich ist für alle Internetseiten und Apps,
sind dies «übliche Probleme» einer neuen App. Seit Sonntag habe es
vier neue Versionen gegeben, «nun scheint alles sehr gut zu laufen».
Nach Kaisers Angaben luden bislang mehr als 500 000 Menschen die App
herunter, über 400 000 weitere erstellten sich den «Grünen Pass»
über
das Internet. Eine der Hauptaufgaben sei es gewesen, eine Balance
zwischen Fälschungssicherheit und Benutzerfreundlichkeit zu finden.

Berichte über mangelnde Fälschungssicherheit des Passes hatten
zuletzt für Aufsehen gesorgt. Saftige Strafen sollen Betrugsversuche
unterbinden. Gesundheitsminister Juli Edelstein droht sogar mit Haft.
Tricksenden Gästen des Gordon-Schwimmbads winkt laut Ofer
Bachenheimer eine weitere Strafe: der Entzug der Mitgliedschaft - und
damit Badeverbot.