Angst vor Infektionen - ÖPNV verlor überdurchschnittlich

In Bussen und Bahnen herrscht Maskenpflicht - und momentan ist es in
den öffentlichen Verkehrsmitteln ziemlich leer. Viele Menschen haben
dennoch Angst vor Ansteckung. Das wirkt sich auf die Fahrgastzahlen
aus.

Frankfurt/Main (dpa/lhe) - In Zeiten von Homeoffice und
Kontaktbeschränkungen müssen weniger Menschen unterwegs sein. Wie
sehr sich dabei die Mobilität gerade für den Öffentlichen Nahverkehr

im vergangenen Jahr verändert hat, zeigt eine am Dienstag
vorgestellte Studie der Frankfurter Verkehrsgesellschaft traffiq:
Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der rund 1000 im vergangenen Oktober
Befragten hatte angegeben, seltener mit Bus und Bahn zu fahren.

Corona sei der vorherrschende Grund, den ÖPNV nicht zu nutzen, sagte
Andreas Krämer, der Verfasser der Studie. «62 Prozent der Befragten,
die erwogen hatten, Bus und Bahn zu nutzen, sich aber letztlich
dagegen entschieden haben, nennen die Pandemie als Grund für die
Nichtnutzung.» Die Corona-Krise führe deutlich vor Aspekten wie
Fahrtangebot, Preis oder Zuverlässigkeit, die üblicherweise als Grund
gegen eine Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs genannt werden.

Beim Vergleich der Nutzung vor und während der Pandemie gibt es
demnach klare Gewinner und Verlierer: Während S-Bahnen und U-Bahnen
insgesamt 16 Prozentpunkte als Hauptverkehrsmittel verloren, legte
den Statistiken zufolge die Nutzung des Autos um 10 Prozentpunkte zu,
Fahrradfahren um 4 und der Anteil derjenigen, die überwiegend zu Fuß
unterwegs waren, um 5 Prozentpunkte.

Während bei denjenigen, die ihren Beruf wie bisher ausüben, die
Anzahl der Fahrten «nur» um 22 Prozent zurückging, waren es bei
Menschen im Homeoffice oder in Kurzarbeit 46 Prozent.

Vor allem die Käufer von Einzelkarten aus Frankfurt und die
Zeitkartennutzer aus dem Umland waren weniger mit Bus und Bahn in
Frankfurt unterwegs. «Der Rückgang der ÖPNV-Fahrten in Frankfurt auf

etwa 68 Prozent des Vorjahreswertes kann zu einem großen Teil auf
diese beiden Nutzergruppen zurückgeführt werden, auf die etwa zwei
Drittel der verloren gegangenen Fahrten entfallen», sagte
traffiq-Geschäftsführer Tom Reinhold.

Zum Ausblick auf die Zeit nach Corona hieß es, es sei anzunehmen,
dass nicht alle Veränderungen beim Mobilitätsverhalten wieder
zurückgenommen würden: So erwarteten viele Befragte, dass Arbeit im
Homeoffice auch in Zukunft eine stärkere Rolle spielen und Fahrten
zum Arbeitsplatz überflüssig machen werde.

Die Fahrgastrückgänge in Frankfurt sind kein Einzelfall. So hatte der
Rhein-Main Verkehrsverbund (RMV) vor wenigen Wochen von einer
aktuellen Auslastung von nur 40 Prozent gesprochen, beim
Nordhessischen Verkehrsverbund (NVV) waren es sogar nur 25 bis 35
Prozent. «Wir rechnen damit, dass die Zahlen steigen, wenn die
Schulen wieder öffnen», sagte eine NVV-Sprecherin am Dienstag.

Im laufenden Jahr hat sich der RMV auf ein Minus von 30 Prozent bei
den Einnahmen im Vergleich zu 2019 eingestellt. Immerhin: Bisher
haben erst fünf Prozent der Besitzer von Jahreskarten gekündigt.

Wie sich die Fahrgastzahlen langfristig entwickeln werden, sei nicht
absehbar, hatte RMV-Geschäftsführer Knut Ringat Ende Januar bei der
Jahrespressekonferenz betont. Gerade in der in Frankfurt stark
vertretenen Banken- und Versicherungsbranche könne das Homeoffice
auch nach Corona bestehen bleiben - und damit könnten Pendler
wegbleiben. Doch vielleicht gebe es dann mehr Nachfrage nach Fahrten
zu Freizeitzwecken, wenn etwa nach dem Ende der Pandemie die Menschen
ins Kino oder Fußballstadion strömten.

Die Lage werde von einer eigenen Arbeitsgruppe eng verfolgt, sagte
Ringat. Da viele Busse und Bahnen vor Corona überfüllt waren, müsse
am Ausbau und an Innovationen festgehalten werden. Er setze darauf,
dass auch die Politik dies weiter so sehe und trotz klammer Kassen in
die Verkehrswende investiere.