Merkel will Paketlösung für Öffnungen - Infektionszahlen steigen

Schritte, Stufen, Pakete - die Politik überlegt fieberhaft, wie der
Corona-Lockdown nach den Grundschulen vorerst weiter gelockert werden
kann. Allen Hoffnungen stehen aber die steigenden Infektionszahlen
entgegen.

Berlin (dpa) - Ein Ende des Corona-Lockdowns in Deutschland ist
angesichts der weiteren Ausbreitung der ansteckenderen Virusvarianten
vorerst nicht in Sicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach
sich für eine Strategie der Öffnung verschiedener Bereiche in Paketen
aus und mahnte zugleich zur Vorsicht. Zahlreiche Kitas und Schulen
machten in zehn Bundesländern am Montag den Anfang. Zur Absicherung
dieses Öffnungsschrittes sollen Erzieherinnen und Erzieher sowie
Lehrkräfte voraussichtlich in der Impfreihenfolge nach vorne rücken.
Zudem sollen vermehrte Tests helfen, das Coronavirus wieder stärker
unter Kontrolle zu bringen.

Merkel plädierte angesichts der Sorgen vor einer dritten Corona-Welle
erneut für eine vorsichtige Strategie. Öffnungsschritte müssten mit
vermehrten Tests gekoppelt und klug eingeführt werden, sagte Merkel
nach Angaben von Teilnehmern in Online-Beratungen des CDU-Präsidiums.
Merkel sieht nach ihren Angaben drei Bereiche, für die man Pakete
einer Öffnungsstrategie schnüren müsse: persönliche Kontakte, Sch
ulen
und Berufsschulen sowie Sportgruppen, Restaurants und Kultur. 

Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) sagte nach diesen Informationen,
die Mutationen des Coronavirus zerstörten leider gerade die gute
Entwicklung in Deutschland. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte,
der Anteil der britischen Variante betrage 20 bis 25 Prozent. «Man
muss sicher davon ausgehen, dass dieser Anteil noch weiter zunimmt.»
Öffnungsschritten seien durch das Vordringen der Mutationen
komplizierter geworden.

Nach rund zweimonatiger Schließung und Notbetreuung öffneten in zehn
Bundesländern wieder Kindertagesstätten und Grundschulen teilweise.
Nun ist aus Sicht der Regierung erst einmal Geduld gefragt. Bereits
durch diese Teilöffnungen gebe es «ein erhebliches Mehr an
Kontakten und damit auch an Übertragungsrisiken», sagte Seibert.
Niemand wolle Öffnungen wieder zurücknehmen. «Was wir aufmachen,
das
wollen wir dann auch durchhalten.» Wichtig sei es nun aber, zunächst

ganz genau zu schauen, in welchem Umfang die Schulöffnungen das
Infektionsgeschehen veränderten.

In diesen Tagen soll nach den Informationen aus dem CDU-Präsidium
eine Arbeitsgruppe mit Kanzleramtschef Braun und den Chefs der
Länder-Staatskanzleien zum Thema Öffnungen tagen. Die für den 3. Mä
rz
geplanten nächsten Bund-Länder-Beratungen sollen vorbereitet werden.
Ab dem 7. März sollen den bisherigen Plänen zufolge Geschäfte wieder

öffnen können, wenn es in Regionen drei Tage lang nicht über 35
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern und sieben Tagen gibt. Am
Montag stieg die Sieben-Tage-Inzidenz aber von 60,2 auf 61,0. Seit
mehr als einer Woche liegt sie über 57. 

Dass das Virus sich wieder ausbreitet, zeigt auch der bundesweite
Sieben-Tage-R-Wert von am Sonntag 1,10 (Vortag 1,07): 100 Infizierte
stecken rechnerisch 110 Menschen an. Der Vorsitzende der
Ministerpräsidentenkonferenz, Michael Müller (SPD), sagte der
«Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten» (Montag):
«Auch ein R-Wert deutlich unter 1 und eine sinkende Auslastung der
Intensivmedizin werden wichtige Kriterien für nächste
Lockerungsschritte sein.» Kultur und Gastronomie sollen laut Müller
teils öffnen können, wenn Bundesländer «stabil über mehrere W
ochen»
unter den Inzidenzen 35 oder 50 blieben. Bereits am 1. März sollen in
Bayern Gärtnereien, Gartenmärkte und Blumenläden öffnen dürfen, w
ie
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in München ankündigte.

Grundschulen und Kitas nahmen nach Öffnungen in Niedersachsen und
Sachsen in weiteren zehn Ländern ihren Betrieb auf oder weiten ihn
aus. Unterricht soll im Wechselbetrieb mit halben Klassen oder im
Vollbetrieb mit festen Gruppen stattfinden.

Die Lehrkräfte an Grundschulen und die Kitaerzieherinnen und
-erzieher sollen bei den Impfungen voraussichtlich höher priorisiert
werden. Die laut Statistischem Bundesamt rund eine Million
Betroffenen sollen wohl aus der Gruppe drei (erhöhte Priorität) in
die Gruppe zwei (hohe Priorität) aufrücken. Dafür müsse die
Impfverordnung geändert werden, hatte Spahn in der ARD gesagt. Seinen
früheren Aussagen zufolge soll Gruppe zwei ab April zum Zug kommen.
Auch viele chronisch Kranke und Menschen über 70 sind hier
versammelt. Wieviel später Gruppe drei bei einem Vorziehen der Lehrer
drankommt, sei Spekulation und könne nicht gesagt werden, sagte der
Sprecher Spahns.

Bundesfamilienministern Franziska Giffey (SPD) plädiert im ZDF dafür,
mobile Impfteams an Kitas und Schulen zu schicken. Der
baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) kündigte

in der ARD für sein Land an, ab diesem Montag würden Erzieherinnen
und Erzieher, Lehrer und Lehrerinnen sowie Ärzte und Ärztinnen «und
alle aus dem medizinischen Bereich» geimpft. 

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz befürchtet, dass Hochbetagte
und Schwerkranke bei der Impfung ins Hintertreffen geraten könnten,
wenn die Gruppe zwei erweitert wird. Die Gesundheitsexpertin der
Unionsfraktion, Karin Maag, warnte in der «Süddeutschen Zeitung»
(Montag) vor «ganz schwierigen Abwägungen» bei so einem Schritt.

Das Corona-Kabinett befasste sich laut Seibert zudem mit der
geplanten Ausweitung der Angebote für Schnelltests. Ab 1. März sollen
alle Bürger kostenlos von geschultem Personal auf das Coronavirus
getestet werden können. Das soll in Testzentren, Praxen oder
Apotheken möglich sein.