Steinmeier für Abgabe von Impfstoff - «Frage der Menschlichkeit»

Die G7-Staaten haben gerade Milliarden-Zusagen für die internationale
Corona-Impfkampagne gegeben. Doch was nützt das den ärmeren Ländern,

wenn die reicheren Staaten den Impfstoff schon weggekauft haben? Der
Bundespräsident ruft zur internationalen Solidarität auf.

Berlin (dpa) - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die
reicheren Nationen dazu aufgerufen, von ihren Corona-Impfstoffmengen
etwas an ärmere Länder abzugeben. «Das ist nicht einfach, aber es ist

eine Frage der Menschlichkeit und eine Frage unserer eigenen
Maßstäbe, an denen wir uns messen lassen», sagte er am Montag in
Berlin in einer gemeinsamen Online-Pressekonferenz mit dem
Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom
Ghebreyesus. Zugleich sei es im eigenen Interesse der reicheren
Länder.

«In den nächsten Wochen und Monaten werden Impfstoffdosen noch
überall ein knappes Gut sein», sagte Steinmeier. «Je rascher auch wir

in Deutschland und in Europa bereit sind, ein wenig von dem
abzugeben, was uns gesichert ist, desto eher können wir das
Infektionsgeschehen global eindämmen.» Ob und wie überzeugend die
internationale Zusammenarbeit bei Impfungen, Tests und Medikamenten
gelinge, sei auch «ein Lackmustest der internationalen Solidarität».


Steinmeier warnte, wer jetzt die nötige Solidarität verweigere, dürfe

sich nicht wundern, wenn andere Länder dieses Vakuum mit Lieferungen
für eigene Zwecke nutzten. «Die Pandemie ist auch ein geopolitischer
Moment mit enormen Folgen für unsere Zukunft und die Rolle, die wir
in der Welt nach der Pandemie spielen.» Im UN-Menschenrechtsrat
in Genf berichtete der chinesische Außenminister Wang Yi am Montag,
China liefere seine Impfstoffe an 75 Länder, 53 davon erhielten diese
umsonst, 22 weitere hätten Kaufverträge abgeschlossen.

Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte in den vergangenen
Tagen dafür geworben, dass die reicheren Länder möglichst schnell
vier bis fünf Prozent ihrer Impfstoffmengen abgeben. Steinmeier
sagte, über Menge und Zeitplan berieten jetzt die Regierungen.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, dies sei eine
Entscheidung, die die Bundesregierung nicht allein, sondern in
Abstimmung mit ihren G7- und europäischen Partnern treffen werde.

Steinmeier lobte die Milliarden-Zusagen des G7-Gipfels am vergangenen
Freitag für die internationalen Impfbemühungen als «ein mehr als nur

gutes Signal». Er betonte: «Andere Staaten der Welt sind aufgerufen,

diesem Beispiel zu folgen.»

WHO-Chef Tedros nannte die Finanzzusagen zwar hilfreich. Allerdings
nützten sie nichts, wenn die reichen Länder parallel den Markt mit
Impfstoffen leer kauften. Wegen solcher Aktivitäten seien dem von der
WHO mitgesteuerten Solidarprojekt Covax, das Impfstoffe für alle
Länder der Welt einkauft, zugesagte Impfstoffmengen teilweise wieder
gestrichen worden.

«Ich bitte die Länder mit hohen Einkommen: Wenn sie sich an
Hersteller wenden, um mehr Impfstoff zu kaufen, stellen Sie bitte
sicher, dass dies Covax nicht untergräbt», sagte Tedros. Dabei gehe
es nicht nur um solidarisches Verhalten. Die Gefahr sei, dass sich
das Virus in Weltregionen, wo nicht geimpft werde, verändern und von
dort wieder weltweit ausbreiten könne. Ob die Impfstoffe dann vor
solchen Varianten schützten, sei nicht gesagt.

Tedros bedankte sich bei Deutschland für die umfangreiche
Unterstützung der WHO-Arbeit. «Lassen Sie uns zusammen für eine
fairere Welt arbeiten», sagte Tedros.