Ramelow nach Krisen-Kurs-Kritik: Virus, nicht Regierung ist Zumutung

Statt sich zu erholen, scheint die Corona-Lage in Thüringen an
Dynamik zu gewinnen. In der angespannten Situation kommunizierten
zwei Ministerien unterschiedliche Regelungen zu Schul- und
Kita-Öffnungen. Schelte und Verzweiflungsrufe waren die Folge.

Erfurt (dpa/th) - Mit Sorge hat Ministerpräsident Bodo Ramelow
(Linke) auch am Wochenende die Entwicklung der Corona-Pandemie in
Thüringen verfolgt. Mit rund 123 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner
innerhalb der vergangenen sieben Tage war Thüringen nach Angaben des
Robert Koch-Instituts (RKI) weiter das mit Abstand am stärksten von
der Pandemie betroffene Bundesland. Bundesweit lag der Wert am
Sonntag bei 60. In Sachsen-Anhalt, das nach Thüringen am
zweitstärksten betroffen ist, lag er bei 88.

Wenn die Infektionswerte in Thüringen zu hoch blieben, müssten sich
auch die hiesigen Maßnahmen daran orientieren, hatte Ramelow am
Wochenende erklärt. «Wir werden in den nächsten Tagen ganz genau
schauen, wie sich die Inzidenz entwickelt.» Mit Blick auf die zuletzt
laute Kritik am Vorgehen seiner Regierung in der Krise sagte er: «Die
Zumutung ist ein Virus, nicht die Landesregierung.»

Einen Grund für die hohen Werte in Thüringen sieht Ramelow vor allem
in den Virusvarianten. Thüringen habe es nicht zeitig genug
geschafft, die hohe Inzidenz zu reduzieren, bevor die Mutanten
anfingen, eine Rolle zu spielen. Anderen Bundesländern sei das
gelungen. Er verwies dabei auf neue Studienergebnisse des RKI, wonach
der Anteil von Virusvarianten in den vergangenen Wochen deutlich
gestiegen sei. Bis Sonntag waren etwa 187 Fälle von Virusvarianten im
Freistaat nachgewiesen worden. Ramelow nannte die Entwicklung
besorgniserregend.

Seit Freitag allerdings gilt in Thüringen eine neue
Corona-Verordnung, die verschiedene Lockerungen der bisherigen
Maßnahmen beinhaltet. Geknirscht hatte es im Bildungsbereich: Nach
Plänen des Bildungsministeriums sieht die Verordnung eine generelle
Öffnung mit Einschränkungen von Grundschulen und Kitas ab Montag vor.
Doch in Anbetracht der Corona-Lage hatte das Gesundheitsministerium
kurzfristig am Freitag eine Weisung erlassen. Dieser zufolge sollen
Landkreise, die mehr als 200 Corona-Neuinfektionen pro 100 000
Einwohner binnen sieben Tagen haben, ihre Einrichtungen geschlossen
halten. Bei einer Inzidenz zwischen 150 und 200 soll eine Schließung
erfolgen, wird aber nicht angeordnet.

Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte das Vorgehen damit
gerechtfertigt, dass angesichts eines dynamischer werdenden
Infektionsgeschehens die Notbremse gezogen werden müsse.

Heftige Kritik an der Regelung kam am Sonntag von der Gewerkschaft
Erziehung und Wissenschaft (GEW) Thüringen. Sie forderte besonders
betroffene, aber nicht zu Schließung verpflichtete Landkreise auf,
Kitas und Schulen am Montag geschlossen zu lassen. «Angesichts der
wieder steigenden Infektionszahlen und der zunehmenden Verbreitung
der Virusmutation gilt es mit besonderer Vorsicht zu agieren», sagte
Kathrin Vitzthum, Landesvorsitzende der GEW Thüringen, laut
Mitteilung von Sonntag.

Die Landkreise Unstrut-Hainich und Kyffhäuser machten es bereits vor
und ließen die Einrichtungen zu, lobte die Gewerkschaft. Im
Unstrut-Hainich-Kreis lag die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz am
Sonntag bei rund 162, im Kyffhäuserkreis bei rund 166.

Dagegen lag der Wert im Landkreis Hildburghausen am Sonntag bei 182 -
dort hatte das Landratsamt aber bereits am Freitagabend mitgeteilt,
dass Grundschulen und Kitas im eingeschränkten Betrieb ab Montag
öffnen werden. Am Montag werde der Krisenstab in Abstimmung mit den
Trägern und dem Schulamt über die weitere Vorgehensweise entscheiden.
Das Landratsamt kritisierte das Vorgehen der Landesregierung,
innerhalb weniger Stunden widersprüchliche Verfügungen zu erlassen.

«Die rot-rot-grüne Landesregierung hat das Corona-Management nach wie
vor nicht im Griff», kritisierte der CDU-Fraktionschef Mario Voigt.
Es sei erschreckend, wie Familien, ältere Menschen und die Wirtschaft
sowie deren Beschäftigte nicht mehr wissen könnten, woran sie sind.
«Unser Land muss ausbaden, dass im Kabinett niemand die Verantwortung
für dieses Missmanagement übernimmt.» Ähnliche Kritik kam auch von

der FDP-Fraktion. Die AfD-Fraktion forderte, dass Kinder ab Montag in
ganz Thüringen wieder zur Schule gehen dürfen sollten.