G7-Gipfel macht Milliardenzusagen für globalen Kampf gegen Pandemie

Die Corona-Pandemie kann nicht besiegt werden, solange sich das Virus
in Entwicklungsländern weiter ausbreitet. Die G7-Staaten machen Druck
bei der weltweiten Impfstoff-Verteilung. Aber es reicht noch nicht.

Berlin (dpa) - Mit zusätzlichen Milliarden für die globale
Impfkampagne wollen die sieben großen Wirtschaftsmächte (G7) den
Kampf gegen die Corona-Pandemie in armen Ländern vorantreiben. Zum
Abschluss ihres virtuellen G7-Gipfels am Freitag sprachen sich die
Staats- und Regierungschefs dafür aus, das Jahr 2021 zu einem
«Wendepunkt für den Multilateralismus» machen zu wollen. Es war der
erste G7-Gipfel mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden, nachdem sein
Vorgänger Donald Trump die westliche Wertegemeinschaft mit seinen
Alleingängen immer wieder torpediert hatte.

In ihrer Abschlusserklärung unterstrichen Kanzlerin Angela Merkel,
Biden und die anderen G7-Führer ihre Entschlossenheit, wieder besser
zu kooperieren, um die Pandemie zu besiegen und für eine Erholung der
Weltwirtschaft zu arbeiten. Als weitere Neulinge in der Runde der
«Gruppe der Sieben» nahmen die Ministerpräsidenten Italiens und
Japans, Mario Draghi und Yoshihide Suga, teil. Zu den G7-Staaten
gehören auch Frankreich, Kanada und Großbritannien, das derzeit den
Vorsitz hat.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron setzte sich dafür ein, dass
reiche Länder vier bis fünf Prozent ihrer Impfdosen möglichst schnell

an ärmere Länder abgeben. Merkel zeigte sich grundsätzlich bereit,
etwas vom deutschen Impfstoffkontingent abzugeben. Regierungen seien
aber auch ihrem Volk verpflichtet und könnten in Europa produzierten
Impfstoff «nicht einfach diplomatisch und geopolitisch einsetzen». Es
müsse eine Balance gefunden werden. «Es wird also kein Impftermin in
Gefahr geraten», stellte Merkel mit Blick auf Deutschland klar.

Auf dem Gipfel erhöhten die G7 ihre Zusagen für die Impfkampagne in
ärmeren Ländern nach eigenen Angaben um mehr als vier Milliarden
US-Dollar. US-Präsident Biden sagte insgesamt bis zu vier Milliarden
US-Dollar zu, von denen zwei Milliarden sofort zur Verfügung stehen.
Die EU verdoppelte ihre Hilfe um 500 Millionen Euro. Die
Bundesregierung stellt zusätzliche Mittel von 1,5 Milliarden Euro
bereit.

Deutschland ist damit nun der größte Geber - vor den USA und
Großbritannien. Merkel betonte, «dass die Pandemie erst besiegt ist,
wenn alle Menschen auf der Welt geimpft sind». Solange Infektionen im
großen Umfang aufträten, mutiere das Virus, was die Wirksamkeit der
Impfstoffe schwächen könne. Dies gelte es zu verhindern. «Das heißt
:
Alle müssen teilhaben», sagte die Kanzlerin.

Die auf dem Gipfel zugesagten Mittel reichen aber noch nicht aus,
warnte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). «International muss da
mehr passieren.» Die größere Gruppe der führenden Wirtschaftsnation
en
(G20), zu der auch China und Indien gehören, sowie die EU müssten ihr
Engagement weiter ausbauen. «Nur mit einer weltweiten Impfkampagne
führt der Weg aus der Pandemie heraus.» Es dürfe nicht am Geld
scheitern. «Denn es reicht nicht, das Virus nur in Europa
einzudämmen. Sonst kommt es zurück - vielleicht noch gefährlicher.»


Die Bemühungen für eine gerechte Verteilung der Impfstoffe in der
Welt sind in dem sogenannten ACT-Accelerator (Access to Covid-19
Tools Accelerator) mit der Covax-Initiative gebündelt, die die WHO
und die Impfallianz Gavi vorantreiben. Die USA waren dem Vorhaben
erst beigetreten, nachdem Biden im Januar Donald Trump als Präsident
der USA abgelöst hatte.

Das Covax-Programm braucht in diesem Jahr 6,8 Milliarden Dollar, um
sein Ziel zu erreichen, mit 1,3 Milliarden Dosen rund 20 Prozent der
Bevölkerung in Entwicklungsländern zu impfen. Nach Angaben von
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und der WHO fehlen dieses Jahr
aber insgesamt 27 Milliarden US-Dollar für die allgemeine
medizinische Antwort auf die Corona-Pandemie. Dabei sind neben
Impfstoffen auch Forschung, Tests und Diagnostik mitgerechnet.

Der britische G7-Gastgeber Boris Johnson forderte eine Beschleunigung
der Produktion von Vakzinen. Es sei eine beispiellose globale
Leistung gewesen, innerhalb von rund 300 Tagen einen Corona-Impfstoff
zu entwickeln. Ziel sei es, künftig nur noch 100 Tage zu benötigen.
«Die Entwicklung brauchbarer Coronavirus-Impfstoffe bietet die
verlockende Aussicht auf eine Rückkehr zur Normalität, aber wir
dürfen uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen», sagte Johnson.

Entwicklungsorganisationen begrüßten die Finanzzusagen. «Es weht ein

neuer Wind aus Washington», sagte Stephan Exo-Kreischer von der
Organisation One. Er forderte aber eine «Abkehr vom
Impfnationalismus». Auch die USA hätten sich mehr Dosen gesichert als
sie benötigten. «Hier gilt leider auch für Biden nach wie vor
«America first» - und das ist gefährlich.» Das Vorgehen führe zu

Knappheit und erschwere es armen Ländern, an Impfstoffe zu kommen.
«Das ist leider das beste Rezept, um die Pandemie zu verlängern.»

Auch das Kinderhilfswerk World Vision hieß die Milliardenzusagen
willkommen, riet aber zu einem breiteren Ansatz mit einer Stärkung
des Gesundheitswesens in armen Ländern, um künftig besser vorbereitet
zu sein. Oxfam sah in dem deutschen Beitrag ein «wichtiges Signal in
dieser kritischen Phase». Entwicklungsexpertin Sandra Dworack sagte:
«Niemand ist sicher, ehe nicht alle sicher sind.» Der Beitrag dürfe
nicht darüber hinwegtäuschen, dass in den ärmsten Ländern weiter
viele Millionen Menschen ohne Impfschutz bleiben werden. Gleichzeitig
sicherten sich G7-Länder mehr Impfstoffe als sie brauchten.

Die reichen Länder haben sich bislang zwei Drittel der Impfdosen
gesichert, obwohl sie nur 16 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen.
Nur 0,5 Prozent der Impfungen weltweit haben bisher in den ärmsten
Ländern stattgefunden.