Experiment an offenen Schulen - Montag geht es wieder los Von Andreas Heimann und Stefan Kruse, dpa

Berlin (dpa/bb) - Am Montag macht Berlin den ersten Schritt in
Richtung Schulöffnung. Nach gut zwei Monaten Unterbrechung wegen der
Corona-Pandemie kommen zunächst die jüngeren Grundschüler zurück,
während der Lockdown für viele Geschäfte, die Gastronomie, Kultur-
und Freizeiteinrichtungen noch bis zum 7. März dauert. Ohne Risiken
ist das nicht - auch weil mutmaßlich ansteckendere Virus-Mutationen
Politik und Wissenschaft aufgeschreckt haben. Fragen und Antworten
zum Schulstart:

Machen alle Schulen auf einmal wieder auf?

Nein. Den Anfang machen Schüler der Klassenstufen 1 bis 3. Für sie
ist laut Bildungsverwaltung Wechselunterricht in halber Klassengröße
geplant. Hinzukommen können Schüler von Abschlussklassen, die sich
wegen der Prüfungsvorbereitungen in einer Sondersituation befinden.
Sie können bisher schon wahlweise schulisch angeleitet zu Hause oder
im Wechselmodell mit halber Klassengröße unterrichtet werden. Diese
Regelung gilt weiter. Entschieden wird das von den Schulleitungen in
Absprache mit den Elternvertretungen. Wichtig: Die Präsenzpflicht ist
weiter ausgesetzt. Eltern, die ihre Kinder wegen Corona partout nicht
zur Schule schicken wollen, müssen das also auch nicht.

Warum kommen die jüngsten Schüler zuerst dran?

Weil es gerade für sie besonders schwierig ist, zu Hause am Computer
zu lernen. Viele Fähigkeiten sind bei ihnen noch nicht ausgeprägt,
sie brauchen in besonderer Weise direkten Kontakt im Klassenraum mit
einem Lehrer oder einer Lehrerin als Bezugsperson.

Wie soll das ganze organisiert werden?

Die Schüler der Klassenstufen 1 bis 3 sollen in geteilten Lerngruppen
abwechselnd in der Schule und mit Hilfe digitaler Lösungen zu Hause
unterrichtet werden. Das soll entweder im Umfang von mindestens drei
Unterrichtsstunden täglich geschehen - die eine Hälfte der Klasse
würde beispielsweise am Vormittag in die Schule kommen, die andere am
Nachmittag.

Die Schulleitungen können in Abstimmung mit der Schulkonferenz aber
auch andere Lösungen umsetzen: So könnten die Lerngruppen im tage-
oder wochenweisen Wechsel komplett in der Schule oder zu Hause
lernen. Einige Schulen haben mit solchen Modellen schon Erfahrung,
weil sie ihren Unterricht vor dem Lockdown in Stadtteilen mit
besonders vielen Corona-Infektionen bereits so organisierten.

Steht schon fest, wie es mit der Öffnung der Schulen weitergeht?

Nein, noch ist nicht sicher, wann Schüler anderer Klassenstufen
zurück in die Schule dürfen. Als naheliegend gilt, dass als nächstes

die Grundschüler der Klassen 4 bis 6 dran sind. «Wir fangen mit den
Kleinen an, ich denke, dass man zwei Wochen später sehen kann, ob das
Auswirkungen auf die Infektionszahlen hat, was ich nicht hoffe»,
sagte die Vorsitzende des Interessenverbands Berliner Schulleitungen
(IBS), Astrid-Sabine Busse. Danach müsse man dann über die größeren

Schüler nachdenken. «Und man muss gucken, was die Mutation macht. Es
ist jetzt schon wieder eine andere Situation als vor einigen Wochen.»

Sind die Schulen auf die schrittweise Öffnung vorbereitet?

Auch wenn sie schrittweise öffnen, bleibt digitaler Unterricht
wichtig. Zwar sind in Berlin mittlerweile gut 50 000 Tablets an
Schülerinnen und Schüler verteilt worden. Aber viele Schulen haben
kein Breitbandinternet und können zum Beispiel Unterricht nicht per
Videokonferenz anbieten. Außerdem haben nicht alle Schüler zu Hause
ausreichende technische Möglichkeiten.

Wie steht es um den Gesundheitsschutz für Lehrkräfte und Schüler?

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Verband
Bildung und Erziehung (VBE) halten die Schulöffnung für verfrüht. Aus

ihrer Sicht lässt das Infektionsgeschehen einen solchen Schritt noch
nicht zu. Regierungschef Michael Müller und Bildungssenatorin Sandra
Scheeres (beide SPD) halten den Schritt hingegen für verantwortbar.

Das Personal in den Schulen soll sich ab Montag zweimal in der Woche
testen lassen können. Die Schnelltests sollen Kolleginnen und
Kollegen übernehmen, die dafür geschult werden. Später soll es
außerdem Selbsttests geben, die auch Schülerinnen und Schüler
anwenden können. Solche Selbsttests sind allerdings im Augenblick in
Deutschland noch nicht zugelassen, das wird im März erwartet.

Gilt in den Schulen Maskenpflicht?

Ja, daran hat sich nichts geändert. Sie gilt für alle Klassen, auch
im Unterricht. Für Lehrkräfte stellte oder stellt das Land
Hunderttausende FFP2-Masken bereit.

Werden die Lehrer geimpft, wenn die Schulen wieder öffnen?

Nein. Lehrkräfte werden derzeit nicht vorrangig geimpft - sie sind in
der vom Bund festgelegten Reihenfolge der zu impfenden Gruppen noch
nicht dran. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) schlug vor, sie
von mobilen Impfteams direkt in den Schulen impfen zu lassen. Der
Bund müsse dafür die Impfverordnung ändern und genügend Impfstoff
bereitstellen, forderte sie.

Brauchen die Schulen Luftfiltergeräte?

Das ist umstritten. Die Bezirke haben ab dem Herbst rund 1200 mobile
Luftreinigungsgeräte bestellt, die aber bisher noch nicht alle an den
Schulen angekommen sind. Bis Ostern sollen laut Scheeres weitere 2800
Geräte angeschafft werden, bis Sommer zusätzliche 3500. Insgesamt
sind dafür gut 15 Millionen Euro eingeplant. Der CDU ist das zu
wenig: Um alle Klassenräume in den rund 800 Schulen damit
auszustatten, müsse mehr getan werden.

Astrid-Sabine Busse, selbst Leiterin einer Grundschule in Neukölln,
hält das für überflüssig: «Wir haben in jeder Klasse eine Eieruhr
,
die stelle ich ein - 20 Minuten, und dann reißen wir für 5 Minuten
die Fenster auf», sagte Busse. Das gehe auch im Winter. «Zu Hause
lüfte ich ja auch, und jetzt wird es ja auch schon wieder wärmer.» Es

gebe Räume, die schlecht durch Fensteröffnen zu belüften seien, für

die biete sich an, solche Geräte zu kaufen. «Aber selbst wenn wir das
Geld für Belüftungsgeräte für alle Klassenzimmer hätten, das wä
re ja
gar nicht zu liefern in kurzer Zeit.»

Wie sehen Berliner Eltern die schrittweise Öffnung?

«Wir haben weiterhin eine polarisierte Elternschaft», sagte der
Vorsitzende des Landeselternausschusses, Norman Heise. «Es gibt
Eltern, die ihre Kinder schnellstmöglich wieder in die Schule
schicken wollen und auch nicht nur die erste, zweite, dritte Klasse.
Aber wir haben auch Eltern, die das ablehnen.»