Steinmeier warnt vor wachsender Ungeduld in der Corona-Krise

Die Infektionszahlen sinken, doch die Pandemie schränkt das Leben in
Deutschland weiterhin erheblich ein. Die Ungeduld in der Bevölkerung
wachse, konstatiert Bundespräsident Steinmeier. Wo der Schuh drückt,
darüber berichteten ihm am Donnerstag mehrere Bürger aus Sachsen.

Berlin/Zittau (dpa) - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat
Fortschritte im Kampf gegen die Corona-Pandemie gelobt, aber auch vor
wachsender Ungeduld in der Bevölkerung gewarnt. Es werde hoffentlich
gelingen, die Gesundheitskrise in den Griff zu bekommen und Schritt
für Schritt zu Normalität zurückzukehren, sagte er am Donnerstag in
einer Videokonferenz mit Vertretern des Gesundheitswesens in Sachsen.
«Das geht langsamer, als es sich viele wünschen.» Je länger die Kri
se
und die Einschränkungen dauerten, desto größer werde der
«Stress-Test» für das Vertrauen in öffentliche Institutionen. Er
erkundigte sich daher mehrfach nach Gründen für die Unzufriedenheit
von Bürgern mit den Corona-Maßnahmen sowie den Protesten dagegen.

Trotz der Fortschritte blieben Unsicherheiten durch die Ausbreitung
neuer Virusvarianten, konstatierte das Staatsoberhaupt. Steinmeier
hob aber hervor, dass die Dynamik des Infektionsgeschehens abgenommen
habe. Zugleich verwies er auf Fortschritte beim Impfen: «Wir können
froh darüber sein, dass die Impfungen - aus Sicht vieler viel zu
langsam - aber jetzt doch vorankommen.» Er erinnerte zugleich daran,
dass auch ärmere Länder hierbei unterstützt werden müssten: «Das

Virus ist erst besiegt, wenn es überall besiegt ist.»

Im Gespräch mit dem Bundespräsidenten berichteten fünf Menschen aus
Sachsen, die in der Corona-Pandemie besonders gefordert sind, über
ihre Erfahrungen und Nöte. Eine Hausärztin aus Pirna etwa sprach von
zunehmend psychischen Problemen bei ihren Patienten. Aus ihrer Sicht
sollten zudem Hausärzte Quarantänen aussprechen dürfen, damit es
durch Verzögerungen in den Gesundheitsämtern nicht zu weiteren
Ansteckungen komme. Ein Bestatter aus dem Erzgebirge sagte, dass es
für viele Angehörige sehr schwer sei, würdevoll von Sterbenden und
Verstorbenen Abschied zu nehmen. Dabei verwies er auf die Begrenzung
der Personenzahl bei Beerdigungen. «Welchen Enkel lässt man da außen

vor? Wer darf nicht zur Beerdigung kommen?» - das seien schwierige
Entscheidungen in dieser ohnehin belastenden Situation.

Auch von Personalproblemen in Pflege und Gesundheitswesen wurde
berichtet. «Ohne Schwestern hilft uns kein Beatmungsgerät», betonte
ein Intensivmediziner aus Zittau. Der Leiter eines ambulanten
Pflegedienstes im Landkreis Bautzen sagte, sein Unternehmen habe zwar
einen Termin für die Impfung von Mitarbeitern und Klienten bekommen.
Es habe aber kein Arzt zur Verfügung gestanden, so dass viele bis
heute noch nicht geimpft seien. Auch der Mangel an Schutzausrüstung
vor allem zu Beginn der Pandemie wurde angesprochen und eine bessere
Bevorratung sowie die Produktion in Deutschland angemahnt.

Steinmeier würdigte in dem gut einstündigen Onlinegespräch das
Engagement der Beschäftigten im Gesundheitswesen. Damit hätten sie
verhindert, dass es zu einer Gesellschaftskrise mit «unüberbrückbaren

Spaltungen» gekommen sei. Eine Lehre der vergangenen Monate sei, «wie
sehr wir als Menschen aufeinander angewiesen sind», resümierte das
Staatsoberhaupt. «Das ist eine Erfahrung, die sollten wir für die
Zukunft nicht wieder vergessen.»