) Nachfrage nach Impfstoff Astrazeneca in Berlin läuft langsamer an

Impfstoff in der Pandemie war bisher begehrt. Ist das beim Produkt
des Herstellers Astrazeneca in Berlin anders? Experten halten Zweifel
für unbegründet.

Berlin (dpa/bb) - Die Senatsverwaltung für Gesundheit sieht in der
Pandemie bisher keine spürbare Ablehnung des Impfstoffs vom
Hersteller Astrazeneca in Berlin. Die Vergabe laufe aber etwas
langsamer an. In den Krankenhäusern werde das Personal geimpft, sagte
Sprecher Moritz Quiske am Mittwoch. Da die Nebenwirkungen bei diesem
Impfstoff bekanntermaßen etwas stärker seien, werde meist
etappenweise gespritzt, um dem Personal einen Tag Erholung zu gönnen.

Im Impfzentrum Tegel, das Astrazeneca anbietet, sei die Nachfrage mit
rund 5000 Immunisierungen bisher etwas hinter den Erwartungen
zurückgeblieben, stellte Quiske fest. Allerdings seien die
Einladungen an tausende niedergelassene Ärzte auch erst Ende
vergangener Woche mit den entsprechenden Codes herausgegangen. Auch
das Winterwetter könne beim bisherigen Zögern eine Rolle gespielt
haben. Es gebe keinen Anlass, aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit
Astrazeneca Priorisierungen in Berlin zu ändern.

Der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KV) sei nicht bekannt, dass
es in der Ärzteschaft eine Zurückhaltung gegenüber dem
Astrazeneca-Impfstoff gibt, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit.
Der Vereinigung seien dort bisher nur wenige Einzelfälle bekannt, die
eine Impfung damit nicht guthießen. Alle zugelassenen Impfstoffe
seien gleichwertige Instrumente im Abwehrkampf gegen diese Pandemie.
Nebenwirkungsprofile seien eine völlig normale Reaktion des Körpers
und sprächen gerade auch für eine sich entwickelnde Abwehrreaktion
gegen das Virus.

Durch die Umstellung des Impfstoffes stünden Kliniken deutlich mehr
Impfdosen für die Immunisierung des medizinischen Personals zur
Verfügung, hieß es vonseiten der Berliner Krankenhausgesellschaft.
Die Impfung im Krankenhaus sei ein Wettlauf mit der Zeit. Auch wenn
viele Mitarbeitende einen anderen Impfstoff vorziehen würden, sollten
doch möglichst viele von dem Angebot Gebrauch machen. Denn die
Präparate seien weiterhin noch knapp. Zurzeit gelte, dass jede
Impfung das Infektionsrisiko insgesamt eindämme und Ausbrüche
verhindern könne.

Auch Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) unterstrich die
Wirksamkeit aller drei zugelassenen Impfstoffe in Deutschland.
Charité-Virologe Christian Drosten hält grundsätzliche Bedenken gegen

den Astrazeneca-Impfstoff für unbegründet und ist für einen breiten
Einsatz des Präparats. «Bei Astrazeneca gibt es keine Wahlfreiheit»,

sagte Kalayci.

Der Impfstoff wird in Deutschland bisher nur bis 65 Jahre empfohlen.
Diese Altersbegrenzung kann aber auch verzerrende Effekte in der
Wahrnehmung haben. Normale Impf-Nebenwirkungen wie Müdigkeit oder
Fieber fallen bei Jüngeren wegen ihres besseren Immunsystems oft
stärker aus. Menschen unter 65 sind in der Regel auch noch
berufstätig. Krankmeldungen wegen Impfnebenwirkungen fallen also -
anders als bei Senioren - eher auf.

Nur Menschen über 80 Jahre können sich bisher in Berlin ein
Impfzentrum aussuchen. Damit können sie indirekt über den Impfstoff
mitentscheiden, da jedes Zentrum nur mit einem Hersteller beliefert
wird. Astrazeneca wird dieser Gruppe aufgrund der Impfempfehlungen
für Deutschland erst gar nicht angeboten. Am Mittwoch eröffnete im
Velodrom im Stadtteil Prenzlauer Berg das fünfte von insgesamt sechs
Berliner Impfzentren. Dort wird Impfstoff des US-Herstellers Moderna
gespritzt.

Die Senatorin würde den Astrazeneca-Impfstoff ab März gern auch an
Hausarztpraxen liefern lassen. Denn es ist bislang das einzige in
Deutschland zugelassene Vakzin, mit dem das technisch möglich wäre.
Dazu fehle aber bisher die Erlaubnis vom Bund. Es gebe dringenden
Bedarf, diese Verordnung zu überarbeiten, sagte Kalayci. Sonst könne
Berlin nur mit einem Trick arbeiten - und die Praxen zum Beispiel zu
mobilen Impfteams erklären.

Dem von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angekündigten
kostenlosen Schnelltest ab März steht die Berliner
Gesundheitsverwaltung noch skeptisch gegenüber. Es bestehe beim
Aufbau geplanter Teststellen, der von den Ländern geleistet werden
solle, die Gefahr eines «bürokratischen Monsters», sagte Sprecher
Quiske. Sinnvoller seien aus Berliner Sicht Zulassungen von
Schnelltests, die jeder Bürger leicht selbst durchführen könne.

Spahn hatte angekündigt, ab dem 1. März sollten alle Bürger kostenlos

von geschultem Personal auf das Coronavirus getestet werden können.
Geplant sind demnach Gratis-Schnelltests in Testzentren, Praxen und
Apotheken, mit denen man innerhalb von etwa 15 Minuten ein Ergebnis
bekommt. Dazu muss man sich einen Nasen- oder Rachenabstrich abnehmen
lassen.