Sorge um Virusvarianten - Grenzen im Südosten weitgehend dicht Von Theresa Münch und Sabine Dobel, dpa

In Deutschland sinken die Corona-Fallzahlen. Doch es gibt neue
Gefahren jenseits der Grenzen: Ansteckendere und teils gefährlichere
Mutationen des Virus. Nun macht Deutschland die Grenzen im Südosten
für viele dicht.

Berlin (dpa) - Nach der Ausbreitung neuer Virusvarianten hat
Deutschland die Regeln für die Einreise aus mehreren EU-Staaten
erneut verschärft. Stationäre Kontrollen an der Grenze zu Tschechien
und Tirol sollen in der Nacht von Samstag auf Sonntag eingerichtet
werden. Bundes- und Grenzpolizei werden dann kontrollieren - und
Einreisende zurückweisen, wenn sie nicht unter Ausnahmeregelungen
fallen.

Warum wurden die Einreiseregeln dort verschärft?

Virusmutanten breiten sich derzeit in Tschechien und Tirol aus. In
Tirol gibt es verstärkt Fälle der südafrikanischen
Sars-CoV-2-Virusvariante B.1.351, in Tschechien ist es die britische
Variante B.1.1.7. Beide Mutanten gelten als deutlich ansteckender.
Die südafrikanische Variante ist nach bisherigem Wissen zudem auch
tödlicher - und zusätzlich wirkten manche Impfstoffe weniger gut
dagegen. Auch wer schon Corona hatte, könne sich wahrscheinlich
erneut anstecken, warnen Mediziner. Die Rate der Zweitinfektionen
werde daher wahrscheinlich steigen.

Wer darf noch aus Tschechien und Tirol einreisen?

Deutsche Staatsangehörige mit ihren Ehepartnern und minderjährigen
Kindern werden an den Grenzen grundsätzlich durchgelassen. Das
gleiche gilt für alle, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben.
Weitere Ausnahmen gibt es für Lkw-Fahrer, Ärzte, Kranken- und
Altenpfleger sowie landwirtschaftliche Saisonarbeitskräfte - denn sie
werden in Deutschland dringend zur Versorgung der Bevölkerung
gebraucht. Auch wer zur Beerdigung eines Elternteils, Ehepartners
oder Kindes will, darf einreisen, genauso Väter für die Geburt ihres
Kindes. Auch für dringende medizinische Behandlungen darf man mit
ärztlichem Attest noch über die Grenze. Für alle Einreisenden gilt:
Sie müssen einen negativen Corona-Test vorweisen und in Deutschland
zehn Tage in Quarantäne.

Wie lange gilt das?

Die verschärften Einreiseregeln sind laut Innenministerium zunächst
auf zehn Tage befristet, gelten also bis zum 23. Februar. Sie können
allerdings dann noch auf maximal drei Monate verlängert werden.

Wie viele Pendler sind betroffen?

Die verschärften Regeln für die Einreise aus Tschechien und dem
österreichischen Bundesland Tirol werden unter anderem wohl
Zehntausende Berufspendler treffen. Rund 45 000 in Deutschland
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte hatten laut Bundesagentur
für Arbeit (BA) zuletzt ihren Wohnsitz in Tschechien oder Österreich
- die allermeisten arbeiten in Bayern. Nach der BA-Statistik von Ende
Juni waren 33 800 Tschechen in Deutschland regulär in Lohn und Brot -
die meisten im verarbeitenden Gewerbe sowie in Verkehr und Lagerei;
dazu zählen etwa Lastwagenfahrer und Kurierdienste. Gut 11 100
Beschäftigte leben in Österreich.

Kommen die neuen Regeln noch rechtzeitig?

In Bayern sind Virusvarianten schon jetzt stärker verbreitet als im
Bundesschnitt. Bei deutlich mehr als zehn Prozent der Infizierten in
Bayern wurden sie festgestellt - mehr als doppelt so viel wie
insgesamt in Deutschland, wie der Münchner Infektiologe Clemens
Wendtner sagte. Aus Tirol scheint es bisher kein nennenswertes
Übergreifen der südafrikanischen Variante zu geben. Anders sieht das
in Ostbayern mit der britischen Variante aus. Diese hat bei
Einpendlern aus Tschechien schon die Oberhand. So hat laut Wendtner
etwa in den Regionen Tirschenreuth und Hof die Mutante bereits einen
Anteil von mehr als 40 Prozent der positiven Fälle. Ministerpräsident
Markus Söder (CSU) sprach von bis zu 70 Prozent. Alle bayerischen
Hotspots liegen entlang der Grenze.

Drohen auch an anderen Grenzen schärferen Einreise-Regeln?

Auszuschließen sei das nicht, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn
(CDU). Die Bundesregierung gehe aber mit Blick auf den wichtigen
Austausch in Grenzregionen «sehr zurückhaltend und abwägend» mit
solchen Maßnahmen um. Die anderen Nachbarländer mit direkter Grenze
zu Deutschland, also Polen, Dänemark, die Niederlande, Belgien,
Luxemburg, Frankreich und die Schweiz, sind bisher nicht als Gebiete
mit besonderer Verbreitung der ansteckenderen Virusvarianten
eingestuft.

Wie sieht man das deutsche Vorgehen in Brüssel?

Die EU-Kommission ist nicht begeistert und hat Deutschland
aufgefordert, Ausnahmen etwa für Pendler und unverzichtbare Reisen zu
gewähren. Die EU-Staaten hätten sich erst kürzlich auf gemeinsame
Empfehlungen für das Reisen in Corona-Zeiten geeinigt. Man erwarte,
dass alle Länder danach handelten, hieß es. Innenminister Horst
Seehofer (CSU) wies die Kritik scharf zurück. «Jetzt reicht's! Die
EU-Kommission hat bei der Impfstoffbeschaffung in den letzten Monaten
genug Fehler gemacht», sagte er der «Bild»-Zeitung. «Die
EU-Kommission sollte uns unterstützen und nicht durch wohlfeile
Hinweise Knüppel zwischen die Beine werfen.»