Videotechnik auch in Pandemie-Zeiten bei Verhandlungen kaum genutzt

Während Bayerns Gerichte in der Pandemie verstärkt auf Verhandlungen
per Videokonferenz setzen, hält sich der Einsatz solcher Technik in
Thüringen in Grenzen. Das hat Gründe, aber gut findet es längst nicht

jeder.

Erfurt (dpa/th) - Auch in der Corona-Krise haben Thüringer Gerichte
kaum per Videokonferenz verhandelt. «Mangels entsprechender Technik
werden zur Zeit kaum Zivilverhandlungen virtuell geführt», sagte der
Landesvorsitzende des Thüringer Richterbunds, Holger Pröbstel, auf
Anfrage. «Wünschenswert wäre es natürlich.»

Gesetzlich möglich sind Videoverhandlungen bei Zivilprozessen schon
seit Jahren. Gerade die Pandemie hat etwa in Bayern dem Einsatz der
Technik einen Schub gegeben, da die Gerichte sonst derzeit kaum noch
eine Chance haben, die Prozessflut zu bewältigen.

Auch Pröbstel hält die Technik gerade in der Pandemie für sinnvoll,
da kein direkter persönlicher Kontakt nötig sei. Das sei etwa für
Beteiligte von Vorteil, die als Risikopatienten gelten. «Und
Gutachter müssten nicht durch die halbe Republik anreisen.» Pröbstel

zufolge gibt es in Thüringen dennoch nur sehr wenige Gerichte, an
denen die Technik regelmäßig genutzt wird. Wo sie zum Einsatz komme,
sei man aber sehr zufrieden damit.

Aus seiner Sicht sind etwa die Ausstattung der Gerichte und das
Datenschutzrecht Gründe, weshalb kaum per Videokonferenz verhandelt
wird. «Wir können nicht einfach «Zoom» oder andere verbreitete
Software für Videokonferenzen nutzen», so Pröbstel. Zudem gebe es
nicht überall Konferenztechnik mit größeren Bildschirmen. «Und am
Dienst-Laptop ist die Ansicht sehr klein und der Ton nicht besonders
gut.»

Die Digitalisierung in der Thüringer Justiz hinke ohnehin hinterher,
monierte der Richter. Gerade in der aktuellen Situation wäre es gut,
wenn es bereits die seit längerem angestrebte Möglichkeit zur
elektronischen Aktenführung gebe. «Gerichtsakten darf ich ja nicht
mit ins Homeoffice nehmen», sagte Pröbstel.

Beim Justizministerium in Erfurt heißt es derweil, dass alle Gerichte
im Freistaat über die technischen Voraussetzungen für
Videokonferenzen verfügten. Wie häufig die Option an welchen
Gerichten bislang genutzt wurde, sei momentan aber noch nicht klar.
Allerdings laufe dazu eine Erhebung, von der erste Erkenntnisse Mitte
März erwartet werden.

Richterinnen und Richter können selbst entscheiden, ob sie mit
Videokonferenz verhandeln wollten. Anhaltspunkte dafür, dass es eine
generelle Skepsis gegenüber dieser Methode gebe, lägen nicht vor. «Es

kann jedoch davon ausgegangen werden, dass es durchaus Richterinnen
und Richter gibt, die insoweit skeptisch eingestellt sind, sei es
aufgrund fehlender Vertrautheit mit dem «neuen» Medium, wegen
rechtlicher Unsicherheiten oder auch aufgrund organisatorischer
Schwierigkeiten», hieß es beim Ministerium auf Anfrage.

Dort wird die Videotechnik als sinnvolle Ergänzung besonders bei
Verfahren mit wenigen Beteiligten gesehen. Als Herausforderung
bewertet das Ministerium, dass auch bei digitalen Verhandlungen die
Öffentlichkeit grundsätzlich zu wahren ist. Zudem werde die
Verhandlungsleitung durch den Vorsitzenden Richter schwieriger, je
mehr Beteiligte bei einer Video-Verhandlung dabei seien.

Dass Videokonferenzen in der Justiz noch ganz andere Tücken haben
können, musste jüngst ein US-Anwalt feststellen, der sich offenbar
versehentlich in Gestalt einer Katze in eine Online-Gerichtsanhörung
zuschaltete. Dem Richter versicherte er: «Ich bin keine Katze.»