Bundestag soll regelmäßig neu über «epidemische Lage» entscheiden

Berlin (dpa) - Die große Koalition will die Grundlage dafür schaffen,
dass mehrere Corona-Regelungen etwa zu Impfungen und Tests über Ende
März hinaus weiterlaufen. Sie beruhen darauf, dass der Bundestag auch
weiterhin eine «epidemische Lage von nationaler Tragweite» feststellt
- darüber soll das Parlament künftig aber regelmäßig neu entscheide
n
müssen. Ein Gesetzentwurf, den Union und SPD am Freitag einbringen
wollen, sieht einen Drei-Monats-Mechanismus vor: Beschließt der
Bundestag nicht spätestens drei Monate nach der Feststellung einer
solchen Lage, dass sie fortbesteht, soll sie als aufgehoben gelten.

Diese Ausnahmelage gibt dem Bund besondere Befugnisse, direkt ohne
Zustimmung des Bundesrates Verordnungen zu erlassen. Diese sind aber
bisher bis 31. März befristet. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte der
Deutschen Presse-Agentur: «Die Pandemie hält sich nicht an Fristen.»

Die unsichere Infektionslage halte über März hinaus an. «Daher
streben wir eine befristete Verlängerung der epidemischen Lage bis
zum 30. Juni an.» Nur so gebe es die gesetzliche Grundlage für nöti
ge
Maßnahmen und Verordnungen, die sonst auslaufen. Es handele sich aber
nur um den rechtlichen Rahmen. «Intelligente Öffnungskonzepte und
entsprechende Lockerungen sind grundsätzlich möglich.»

Der Bundestag hatte die epidemische Lage von nationaler Tragweite
erstmals am 25. März 2020 festgestellt - und im November bestätigt,
dass sie weiterhin besteht. Laut Infektionsschutzgesetz liegt sie
vor, «wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in
der gesamten Bundesrepublik Deutschland besteht».

Der Entwurf der Koalition sieht außerdem vor, «Impfziele» für die
Corona-Impfungen gesetzlich zu verankern - etwa die «Reduktion
schwerer oder tödlicher Krankheitsverläufe» oder der «Schutz von
Personen mit besonders hohem tätigkeitsbedingtem Infektionsrisiko».
Diese Ziele sollen demnach im Fall beschränkter Verfügbarkeit von
Impfstoffen «bei notwendigen Priorisierungen zu berücksichtigen» sein

- in Empfehlungen der Ständigen Impfkommission und darauf aufbauenden
Impfverordnungen. Damit verstärke der Gesetzgeber den Rahmen für
Priorisierungsentscheidungen, heißt es im Entwurf. Zuletzt waren
mehrere Rufe nach stärkerer Beteiligung des Bundestags laut geworden.

Laut dem Entwurf sollen die besonderen Corona-Befugnisse des Bundes
außerdem noch grundlegend untersucht werden - in einer «externen
wissenschaftlichen Evaluation der Regelungsgesamtheit zur
epidemischen Lage von nationaler Tragweite». Damit soll das
Gesundheitsministerium die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina
beauftragen. Das Ergebnis soll bis 31. Dezember 2021 vorliegen.