Kritik und Rücktrittsforderung: Leyen verteidigt EU-Impfstrategie

Die EU hinkt beim Impfen hinterher - und der Zorn darüber trifft vor
allem EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Auch im
Europaparlament muss sie sich schwere Vorwürfe anhören.

Brüssel (dpa) - Wegen des Mangels an Corona-Impfstoff hat die
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Mittwoch im
Europaparlament erneut Versäumnisse eingeräumt und Korrekturen
angekündigt. So will sie die Zulassung von Impfstoffen beschleunigen
und die Produktion in Europa ausbauen. Die AfD forderte den Rücktritt
der CDU-Politikerin. Die Linke will einen Untersuchungsausschuss zur
Aufklärung der Fehler. Alle großen Fraktionen stellten sich aber
grundsätzlich hinter die EU-Strategie zur Impfstoffbeschaffung.

Von der Leyen wird vor allem in Deutschland heftig kritisiert, weil
die EU-Kommission für die Bestellung des Corona-Impfstoffs zuständig
ist und vorerst nur wenig davon zur Verfügung steht. Bisher wird in
der Union langsamer geimpft als in Israel, Großbritannien oder den
USA. Von der Leyen gab zu: «Wir waren spät dran bei der Zulassung.
Wir waren zu optimistisch bei der Massenproduktion. Und vielleicht
waren wir uns zu sicher, dass das Bestellte auch tatsächlich
pünktlich geliefert wird.»

Nun zielt sie zum einen auf Beschleunigung der Zulassung. Dafür
sollen die EU-Arzneimittelagentur EMA schneller die Daten klinischer
Impfstofftests bekommen und der Rechtsrahmen so geändert werden, dass
die Impfstoffe schnellstmöglich geprüft werden können. Eine Taskforce

kümmere sich zudem um den gezielten Ausbau der Impfstoffproduktion,
sagte von der Leyen. Dafür soll auch der Nachschub an Rohstoffen
besser koordiniert werden. Angesichts der Gefahr durch mutierte
Coronaviren soll die Produktionskapazität dauerhaft aufgestockt
werden.

Zudem ging die Kommissionspräsidentin auf zwei Forderungen des
Parlaments ein: Sie wolle alles tun, damit die Abgeordneten die
Lieferverträge prüfen könnten, und sie wolle eine Kontaktgruppe für

besseren Informationsaustausch mit dem Parlament einrichten.

Ihren Kritikern hielt sie aber entgegen: «Wir alle geben unser Bestes
im Kampf gegen das Virus. In den Familien, in den Städten und
Gemeinden, in den Mitgliedstaaten und auf der europäischen Ebene. Das
sollten wir uns gegenseitig nicht absprechen.» Die Impfkampagne nimmt
aus ihrer Sicht inzwischen Fahrt auf. 26 Millionen Impfdosen seien in
der EU ausgeliefert, 17 Millionen Menschen geimpft.

Linke und Rechte im Europaparlament sprachen dennoch von einem
Debakel und von Versagen der Kommission. «Die letzten Wochen haben
gezeigt, dass die Europäische Kommission mit der Pandemiebekämpfung
überfordert ist und ihrer Verantwortung nicht nachkommt», erklärte
der Linken-Fraktionschef Martin Schirdewan. Seine Co-Vorsitzende
Manon Aubry forderte die sofortige Einrichtung eines
Untersuchungsausschusses. Der AfD-Abgeordnete Jörg Meuthen warf von
der Leyen «maßloses Unvermögen» vor und verlangte ihren Rücktritt
.

Christdemokraten, Sozialdemokraten, Grüne und Liberale gaben ihr mehr
Rückendeckung, verlangten aber ebenfalls Aufklärung von
Versäumnissen. Die Christdemokraten wollen in einem Bericht Lehren
aus dem Prozess ziehen. Die Sozialdemokraten plädierten für ein
parlamentarisches Kontrollgremium, das Kooperation, Transparenz und
Rechenschaft sicherstellen soll. Lieferverzögerungen hätten in der
Bevölkerung für Misstrauen gesorgt, hieß es im Parlament.

Doch betonte nicht nur der Liberale Pascal Canfin, 27 einzelne
Verhandlungen hätten eine weitaus chaotischere Lage gebracht als
jetzt. Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei,
unterstützte die wichtigen bisher getroffenen Entscheidungen.
Sozialdemokraten und Grüne mahnten, andere Weltgegenden nicht zu
vergessen und die globale Verteilung von Impfstoff zu sichern.