Corona-Krise lässt Beitragsschulden bei den Krankenkassen wachsen

Hunderte Euro werden bei Selbstständigen in der Regel jeden Monat für
die Krankenkasse fällig. Bereits bisher blieben etliche ihrer
Versicherung Beiträge schuldig. In der Krise wächst der Schuldenberg.

Berlin (dpa) - In der Corona-Krise haben Versicherte bei den
Sozialversicherungen höhere Beitragsschulden angehäuft. Die
Rückstände von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in der gesetzlichen
Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und der Pflegeversicherung wuchsen
in einem Jahr um rund 700 Millionen auf 18 Milliarden Euro 2020. Das
geht aus einer der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Antwort des
Bundessozialministeriums auf eine Anfrage der AfD im Bundestag
hervor. Den größten Anteil machten mit 9,6 Milliarden Euro die
Beitragsrückstände von Selbstständigen und anderen freiwillig
Versicherten bei den Krankenkassen aus. Allein ihr Schuldenberg wuchs
um 544 Millionen Euro innerhalb eines Jahres.

Das Ministerium führt den Schuldenanstieg seit dem Vor-Corona-Jahr
vor allem auf die Auswirkungen der Pandemie und die deshalb
eingeführte, befristete Möglichkeit einfacherer Stundung von
Beiträgen zurück. 2018 hatte es allerdings schon einmal einen noch
höheren Schuldenstand von 18,5 Milliarden Euro in der gesetzlichen
Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung gegeben.
Stark gestiegen waren bereits damals vor allem die Rückstände der
freiwillig Krankenversicherten auf 10,3 Milliarden Euro 2018 - drei
Jahre zuvor waren das erst 4,4 Milliarden. In diesem Posten
mitaufgeführt sind unter anderem auch Rückstände von
versicherungspflichtigen Rentnern mit Betriebsrenten.

Die Beitragsschulden bei den Krankenkassen kommen nach Einschätzung
von Beratern von Betroffenen oft daher, dass sich Versicherte mit den
Beiträgen überfordert sehen. So sind unter den freiwilligen
Kassen-Mitgliedern viele Selbstständige. Sie müssen den kompletten
Beitragssatz auf ihre Einkommen bis zu einem Höchstbetrag von derzeit
mehr als 760 Euro zahlen.

Der Anstieg bis 2018 ging aber laut Regierung in großen Teilen auch
auf «ungeklärte Mitgliedschaften» zurück. Gemeint sind damit wohl v
or
allem Saisonarbeiter aus anderen EU-Staaten - etwa in der
Fleischindustrie oder der Gastronomie. Nach dem Ende der
Beschäftigung hätten die Betroffenen für ein Ende der
Kassen-Mitgliedschaft aktiv den Austritt erklären müssen - viele
versäumten dies und blieben so weiter zum Höchstbeitrag versichert.
So wuchsen - von vielen Betroffenen unbemerkt - die Beitragsschulden.
Mit der automatischen Fortführung der freiwilligen Versicherung hatte
der Gesetzgeber eigentlich vor allem Schutzlücken verkleinern wollen.

Ab Ende 2018 galt dann ein neues Gesetz, durch das die freiwillige
Mitgliedschaft in einer Kasse endete, wenn Versicherten unauffindbar
sind. In der Folge sanken die Rückstände der freiwillig
Krankenversicherten 2019 um rund 1,3 Milliarden Euro, bevor sie nun
wieder anstiegen.

Der AfD-Abgeordnete René Springer sagte: «Immer mehr Versicherte sind
offenbar nicht mehr in der Lage, ihre Beiträge zu entrichten.»
Absehbar sei, dass das Problem durch die Corona-Einschränkungen
verschärft werde. Viele Solo-Selbstständige, Freiberufler, Künstler
und Kleinunternehmer stünden heute vor dem wirtschaftlichen Ruin.

Insgesamt entwickelte sich der Rückstand bei den Beiträgen über alle

Sozialversicherungszweige hinweg laut Bundesregierung weitgehend
proportional zu den Beitragseinnahmen. Diese seien über die Jahre mit
den Löhnen gewachsen. «In Relation zu den Beitragseinnahmen eines
Jahres machen die aufgelaufenen Rückstände rund zwei Prozent aus», so

das Ministerium. Nur die Rückstände der Krankenversicherung hätten
sich «überproportional» entwickelt.

Ursprünglich veröffentlicht wurden die Daten zu den
Beitragsrückständen vom Bundesamt für Soziale Sicherung. Die Bonner
Behörde veröffentlicht seit 2014 monatlich aktualisierte Übersichten

über das Beitragsaufkommen und die Beitragsrückstände - auf Basis von

den Krankenkassen erstellter Monatsabrechnungen.