Biden warnt Amerikaner vor 250 000 weiteren Corona-Toten

Die US-Gesundheitsbehörde CDC rät wegen der Pandemie dringend von
Reisen und Familienbesuchen rund um Weihnachten ab. Der scheidende
US-Präsident Trump hält an Feiern im Weißen Haus fest. Sein gewählt
er
Nachfolger Biden zeichnet ein düsteres Bild für die kommenden Monate.

Washington (dpa) - Der gewählte US-Präsident Joe Biden hat die
Amerikaner vor dramatisch steigenden Todeszahlen in der
Corona-Pandemie gewarnt und eindringlich zu Schutzmaßnahmen
aufgerufen. «Ich will niemandem Angst einjagen, aber verstehen Sie
die Fakten: Wir werden zwischen jetzt und Januar wahrscheinlich
weitere 250 000 Menschen verlieren», sagte Biden am Mittwoch
(Ortszeit) bei einer Online-Veranstaltung mit Mitarbeitern und
Besitzern kleiner Unternehmen. Am gleichen Tag überschritt die Zahl
der binnen 24 Stunden erfassten Toten mit einer Corona-Infektion im
Land erstmals seit Beginn der Pandemie die Schwelle von 3000.

Am Mittwoch meldeten die Behörden 3157 Tote mit einer bestätigten
Coronavirus-Infektion, wie aus Daten der Johns-Hopkins-Universität
(JHU) in Baltimore von Donnerstagmorgen (MEZ) hervorging. Der bislang
höchste Wert mit 2607 Toten war am 15. April registriert worden. Zum
zweiten Mal seit Beginn der Pandemie übertraf die Zahl der binnen
eines Tages gemeldeten Neuinfektionen die Marke von 200 000. Sie lag
am Mittwoch bei 200 070 und damit nur knapp unter dem bisherigen
Rekord vom vergangenen Freitag mit rund 205 000 neuen Fällen.

Die Menschen passten nicht auf, sagte Biden weiter. Die Ausbreitung
des Virus müsse eingedämmt werden. Biden machte keine Angaben dazu,
worauf er seine Schätzung von 250 000 weiteren Toten begründet. Nach
Statistiken der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore hat das
Coronavirus seit Beginn der Pandemie mehr als 270 000 Menschen in den
USA das Leben gekostet. Ein Modell von Forschern des Instituts IHME
der Universität Washington im gleichnamigen US-Bundesstaat rechnet im
Fall gelockerter Schutzmaßnahmen mit mehr als 502 000 Toten bis Ende
Januar, im Fall schärferer Schutzmaßnahmen mit mehr als 367 000.
Dieses Modell wurde in der Vergangenheit auch mehrfach vom Weißen
Haus angeführt.

Der Chef der Gesundheitsbehörde CDC, Robert Redfield, sagte bei einer
Veranstaltung der US-Handelskammer am Mittwoch: «Unglücklicherweise
glaube ich, dass wir vor Februar in der Nähe von 450 000 Virus-Toten
sein könnten.» Das sei aber nicht ausgemacht, sondern hänge davon ab,

inwiefern sich die Amerikaner an Schutzmaßnahmen hielten. «Die
Realität ist: Dezember und Januar und Februar werden hart sein. Ich
glaube sogar, dass es die schwierigsten Zeiten in der öffentlichen
Gesundheitsgeschichte dieser Nation sein werden.»

Im Amtssitz des scheidenden Präsidenten Donald Trump hält man trotz
der CDC-Warnungen an Feiern über die Weihnachtstage fest, wie die
Sprecherin des Weißen Hauses am Mittwoch deutlich machte. «Wenn man
Geschäfte plündern, Gebäude niederbrennen und protestieren kann, kann

man auch zu einer Weihnachtsfeier gehen», sagte Kayleigh McEnany bei
einer Pressekonferenz im Weißen Haus.

McEnany spielte darauf an, dass die Demokraten zwar öffentliche
Veranstaltungen Trumps in der Pandemie kritisieren würden, nicht aber
die - überwiegend friedlichen - Proteste gegen Rassismus und
Polizeigewalt. Die Feiern würden verantwortungsvoll und mit
Schutzmaßnahmen abgehalten, betonte sie. Trump hat die Bedrohung
durch das Virus immer wieder heruntergespielt.

Die Gesundheitsbehörde CDC rät von Reisen und Familienbesuchen rund
um alle Feiertage im Dezember dringend ab. «Der beste Weg, sich
selbst und andere zu schützen, ist, Reisen zu verschieben und zu
Hause zu bleiben», sagte CDC-Mitarbeiter Henry Walke bei einer
telefonischen Pressekonferenz. «Wir müssen dieses exponentielle
Wachstum stoppen, und deswegen bitten wir die amerikanische
Bevölkerung, Infektionen vorzubeugen und Reisen zu verschieben.»

Bereits zu Thanksgiving in der vergangenen Woche hatte die CDC von
Familienbesuchen und Reisen dringend abgeraten. Viele Menschen
hielten sich jedoch nicht daran. Zu Thanksgiving kommen in den USA
traditionell Familien in großer Runde und auch große Freundeskreise
zusammen - aber auch zu Weihnachten und anderen Feiertagen im
Dezember gibt es normalerweise große Zusammenkünfte.

Insgesamt haben sich in dem Land mit rund 330 Millionen Einwohnern
mehr als 13,9 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Seit
Beginn der Pandemie starben mehr als 273 000 Menschen, die sich mit
dem Erreger Sars-CoV-2 angesteckt hatten. In absoluten Zahlen
gemessen sind das mehr als in jedem anderen Land der Welt.

Auch die Zahl der stationär behandelten Covid-19-Patienten ist in den
USA auf einem Höchststand. Nach Angaben des Covid-Tracking-Project
vom Mittwochabend mussten landesweit erstmals mehr als 100 000
Patienten im Krankenhaus behandelt werden. CDC-Chef Redford
begründete seine eindringliche Warnung auch mit der Belastung des
Gesundheitssystems in den US-Bundesstaaten.