Sonderzug zum Weihnachtsfest - Bahn weitet Feiertags-Angebot aus Von Matthias Arnold und Burkhard Fraune, dpa

Ob unvernünftig oder nicht: Auch in der Krise werden viele Menschen
in den Zug steigen, um über Weihnachten zu ihren Familien zu fahren.
Die Bahn weitet ihr Angebot aus. Reicht das?

Berlin (dpa) - Weihnachtszeit ist Reisezeit: Viele Menschen werden
sich auch in der Corona-Krise nicht davon abhalten lassen, über die
Feiertage mit dem Zug zu ihrer Familie zu fahren. Um die Reisen
sicherer zu machen, will die Deutsche Bahn während dieser Tage 100
zusätzliche Fahrten vor allem auf den Hauptstrecken zwischen den
großen Städten anbieten. «Das sind doppelt so viele Sonderzüge wie

normalerweise an Weihnachten gefahren werden», sagte
Personenverkehrsvorstand Berthold Huber am Mittwoch in Berlin.

Die zusätzlichen Fahrten vom 18. bis 27. Dezember sollen den
Fernverkehr entlasten und für mehr Platz in den Zügen sorgen. «Das
ist sicherlich nicht sehr viel», sagte Karl-Peter
Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn. Verglichen
mit den 20 000 monatlich angebotenen Fahrten im Fernverkehr muten die
100 Sonderzüge in zehn Tagen wenig an. «Aber das ist dann genau
abgepasst auf die besonders ausgelasteten Züge», sagte Naumann.

Ohnehin wächst das Angebot. 15 neue ICE-4-Züge kommen in diesen Tagen
planmäßig aufs Gleis, das erhöht die tägliche Sitzplatzkapazität
im
Fernverkehr um 13 000 - derzeit liegt sie nach Unternehmensangaben
bei 150 000. Hinzu kommen die Sonderzüge. «Wir fahren an diesem
Weihnachten so viel Kapazität wie noch nie», sagte Huber.

Mit dem ausgeweiteten Angebot will die Bahn sicherstellen, dass die
Menschen in den Zügen so gut wie möglich Abstand zueinander halten
können. Schon vergangene Woche, kurz nach den jüngsten Beschlüssen
von Bund und Ländern, hatte der Konzern deshalb auch sein
Reservierungssystem umgestellt. Seither lassen sich nur noch
Fensterplätze reservieren. Wer ohne Reservierung in den Zug steigt,
soll ebenfalls einen eigenen Fensterplatz zugewiesen bekommen.

Prinzipiell ist es aber weiterhin möglich, dass zwei fremde Menschen
in einer Sitzgruppe nebeneinander sitzen. Mit dem zusätzlichen
Zugangebot soll das aber so selten passieren wie möglich. Die Bahn
glaubt ohnehin nicht, dass das Infektionsrisiko in Zügen erhöht ist.
Eine entsprechende Studie ist jedoch noch nicht abgeschlossen; dafür
werden allerdings Zugbegleiter getestet, nicht Fahrgäste.

Eine Reservierungspflicht, mit der sich die Fahrgast-Verteilung im
Zug möglicherweise besser steuern ließe, lehnt nicht nur die Deutsche
Bahn ab. Auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sowie der
Fahrgastverband Pro Bahn sind dagegen. Während die EVG vor allem auf
die Mehrbelastung verweist, die eine solche Pflicht für die
Zugbegleiter bedeute, will die Bahn vermeiden, dass Pendler ohne
Reservierung auf den Regionalverkehr umsteigen und diesen zusätzlich
belasten.

Wie schon bisher, will die Bahn verstärkt kontrollieren, dass sich
alle Fahrgäste an die Maskenpflicht halten. «In bis zu 50 Prozent
aller Fernzüge sind Sicherheitsteams an Bord, die darauf achten»,
sagte Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla. 4000 Sicherheitskräfte
der Bahn und 5000 Bundespolizisten seien zu diesem Zweck im Einsatz.

Ob die Maßnahmen des bundeseigenen Konzerns am Ende ausreichen,
bleibt abzuwarten. «Das Problem ist, dass keiner genau weiß, wie
viele Menschen am Ende fahren werden», sagte Naumann von Pro Bahn.

Die Deutsche Bahn geht von einer deutlich geringeren Nachfrage aus
als über die Feiertage normalerweise üblich ist. Eine
Verbraucherumfrage habe ergeben, dass das Fahrgastaufkommen in diesem
Jahr um bis zu 60 Prozent unter dem Niveau der Vorjahre liegen
könnte, sagte Huber. Das entspräche einer durchschnittlichen
Auslastung von 35 bis 40 Prozent. «Genau lässt sich das zu diesem
Zeitpunkt aber noch nicht absehen.»

Sicher ist nur: Das zusätzliche Angebot wird den finanziell ohnehin
angeschlagenen Konzern weiter belasten. Zwar sei es aufgrund der
hohen Fixkosten im Fernverkehr immer besser, Züge mit niedriger
Auslastung fahren zu lassen als gar nicht, sagte Huber. Aber die
Kosten würden mit der geringen Nachfrage nicht gedeckt.

Schon im Mai wurde ein Corona-Schaden von gut 8 Milliarden Euro
befürchtet. Nun dürften es nach Medienberichten 9,6 Milliarden Euro
werden, vielleicht sogar 11 Milliarden Euro - je nachdem wie schnell
sich im Frühjahr die Fahrgastzahlen erholen. Die Bahn äußerte sich
dazu nicht.

Hatte das Management schon vor der Krise um den Gewinn gefürchtet,
muss es dem Aufsichtsrat nächste Woche nun tiefrote Zahlen erklären.
Nach 44 Milliarden Euro Umsatz 2019 werden es dieses Jahr wohl 6
Milliarden Euro weniger sein, wie in Konzernkreisen zu hören ist.

Weil die meisten Züge auch ohne Fahrgäste weiterfuhren und das
Gütergeschäft weiter schwächelt, kommt demnach allein bei der
Eisenbahn in Deutschland ein Minus von 3,3 Milliarden Euro zusammen.
Hinzu kommt eine Sonderabschreibung von 1,4 Milliarden Euro bei der
Auslandstochter Arriva und weitere Negativposten. Unterm Strich
dürfte ein Verlust von 5,6 Milliarden Euro stehen, hieß es.
Staatliche Hilfen sollen kommen. Doch die Genehmigung der
EU-Kommission steht noch aus.