Rechtspopulismus trifft Corona - Eine komplizierte Beziehung Von den dpa-Korrespondenten

Die Rechtspopulisten in Europa treiben gerne die Regierungen mit
Getöse vor sich her. In der Corona-Krise gingen die Umfragewerte der
Parteien zunächst nach unten. Nun kämpfen sie sich mit sehr
unterschiedlichen Strategien durch die Pandemie.

Berlin (dpa) - Krisen schienen den europäischen Rechtspopulisten
zuletzt eigentlich stets gelegen zu kommen. Vor allem die
Migrationskrise nutzten AfD, FPÖ, Lega und Co. für ihren wütenden und

lauten Protest. Die Corona-Pandemie aber macht es den Gaulands,
Salvinis, Kickls und Wilders nicht so leicht, mit ihren Positionen
bei der Wählerschaft Gehör zu finden. Corona kleinreden oder gar
leugnen? Oder doch auf den energischen Schutz der heimischen
Bevölkerung pochen? Diese Fragen haben Europas Rechtspopulisten
durchaus unterschiedlich beantwortet.

In den Spitzengremien der AfD war man sich zunächst nicht einig, wie
man mit der Pandemie umgehen sollte. Einige nahmen die Bedrohung
durch das Virus gleich ernst, während andere die Pandemie mit einer
normalen Grippe verglichen. Inzwischen hat sich die Partei klar mit
denjenigen solidarisiert, die auf der Straße gegen die staatlichen
Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie demonstrieren. Das mag einige
ihrer früheren Anhänger vor den Kopf gestoßen haben. Dafür kamen ab
er
womöglich neue Unterstützer aus den Reihen der Corona-Skeptiker
hinzu.

Im Vergleich zu Italien oder auch Frankreich fiel der AfD diese
Solidarisierung vielleicht auch deshalb leichter, weil die Krise
Deutschland - wohl auch als Folge staatlicher Maßnahmen - bisher
nicht so hart getroffen hat wie etwa Italien oder Frankreich.

Matteo Salvini von der italienischen Lega setzte kurz dazu an,
Sars-CoV-2 zu verharmlosen - doch das verfing in dem Mittelmeerland,
das schon von der ersten Corona-Welle heftig getroffen wurde, nicht.
Ohne Macher-Rolle für Salvini stürzten die Umfragewerte der Lega
kräftig ab, beeinflusst auch von anderen Problemen, etwa einer
erstarkenden Konkurrenz am rechten Rand des politischen Spektrums in
Italien. Giorgia Meloni mit ihren ultrarechten Fratelli d'Italia
schäumt vor Wut, wenn sie vergessene Hilfszahlungen an die armen
Leute anmahnt und fordert, in der Krise nur «italienisch»
einzukaufen. Salvini liegt in der Regel bei Sympathiewerten hinter
ihr.

Auch die FPÖ in Österreich, nach den Skandalen rund um Ex-Parteichef
Heinz-Christian Strache und dem Rauswurf aus der Regierung sowieso
schon geschwächt, liebäugelte mit der Leugner-Szene und schürte
Ressentiments gegen die Maßnahmen der Regierung unter Kanzler
Sebastian Kurz. Am Ende des ersten österreichischen Lockdowns Ende
April rief die FPÖ eine «Allianz gegen den Corona-Wahnsinn» aus: Die

Petition sollte Bürger vereinen, die sich die von der Regierung
verordneten Maßnahmen nicht mehr länger gefallen lassen wollten - und
erhielt nach Angaben der Partei Zehntausende Unterschriften binnen
weniger Wochen. Für deutlich bessere Umfragewerte sorgte der Vorstoß
aber nicht.

Deutlich zurückhaltender gingen Marine Le Pen in Frankreich und Geert
Wilders in den Niederlanden vor. Wilders und seine «Partij voor de
Vrijheid» (PVV) kritisierten zunächst den von der Regierung
verhängten Lockdown im Frühjahr als «zu wenig und zu spät». Ganz

ähnlich Le Pen: Im staatstragenden Ton statt mit lautem Getöse
kritisiert sie die Regierung für zu wenig Aktion im Kampf gegen das
Coronavirus - etwa mit Blick auf Masken oder Tests, schlechte
Kommunikation und die Vorbereitung auf die zweite Welle. An die
Verschwörungstheorien rund um das Virus glaubt sie eigenen Angaben
zufolge nicht.

In den Umfragen ernten Le Pen und ihre Partei Rassemblement National
die Früchte für diese Herangehensweise. Bei AfD und FPÖ zeigte der
Trend zuletzt auch wieder leicht nach oben, nachdem im Frühjahr vor
allem Regierungsparteien gepunktet hatten. Im Vergleich zu Italien
oder auch Frankreich fiel es der AfD aber vielleicht auch deshalb
leichter, sich mit Besuchern der sogenannten Hygienedemos zu
solidarisieren, weil die Krise Deutschland - wohl auch als Folge
staatlicher Maßnahmen - bisher nicht so hart getroffen hat wie etwa
Italien oder Frankreich.

Der Politikwissenschaftler Michael Zürn hält es für möglich, dass A
fD
und Co. auch in den kommenden Monaten von der Corona-Krise
profitieren könnten. «Die Frage ist, was die Effekte letztlich sein
werden. Wenn etwa Ungleichheit und eine rigide Sparpolitik die
ökonomische Transformation weiter beschleunigen werden, könnte das
auch die Bedeutung von autoritär-populistischen Parteien steigern»,
sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Ganz ähnlich argumentiert der Politologe Kurt Richard Luther. «Die
wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise werden europaweit die
Nachfrage nach populistischen Lösungen wachsen lassen. Die FPÖ dürfte

davon profitieren - vor allem durch jene Wähler, die unter den
wirtschaftlichen Folgen leiden», sagte der Österreich-Experte an
einer englischen Universität im September der «Wiener Zeitung». Erst

stiegen in Krisen demnach die Beliebtheitswerte der
Regierungsparteien - was nicht zuletzt auch in Deutschland und
Österreich zu beobachten war -, doch dann könnte sich das Blatt
wenden.

Hinzu kommt, dass auch die Themen Migration und Integration in Europa
immer wieder für Diskussionen sorgen. Der Niederländer Wilders hat
beides bereits auf seine Art mit der Corona-Krise verknüpft. Nachdem
ein Mediziner angegeben hatte, dass verstärkt Menschen mit
ausländischen Wurzeln von der zweiten Infektionswelle betroffen
seien, behauptete er, die Krankenhausbehandlung von «Henk und Ingrid»
verzögere sich - weil die Intensivbetten von «Mohammed und Fatima»
blockiert seien.