Ein Jahr Corona-Krise - Nicht immer die große Stunde der Regierungen Von Fabian Nitschmann, dpa

Krisenzeit ist die Zeit der Exekutive, also der Regierungen. Sagt man
zumindest. In der Corona-Pandemie mussten zig Staats- und
Regierungschefs weltweit in den Krisenmodus schalten. Ein Jahr nach
dem Ausbruch ist klar: Es gibt nicht nur Profiteure.

Berlin (dpa) - Wenn es kracht, braucht es schnelle Entscheidungen,
klare Handlungsabläufe. Endlose Diskussionen über Maßnahmen wirken
dann im ersten Moment fehl am Platz, Zögerlichkeit gehört nicht zu
den vielgelobten Eigenschaften eines guten Krisenmanagers. In der
Politik bedeutet das: Die Regierung handelt, geht voran - und wird
anschließend oft in Meinungsumfragen dafür gelobt. Wenn es gut läuft,

versteht sich. Die Opposition dagegen geht mit ihren Einwänden oder
Meinungsbeiträgen schnell unter. In der Corona-Krise hatte nun fast
jede Regierung weltweit die Möglichkeit, die Opposition mit gutem
Krisenmanagement ins politische Abseits zu stellen. Gelungen ist das
nicht immer.

Da wäre etwa Boris Johnson. Der britische Premier wollte während der
Pandemie allzu oft nicht hart eingreifen, wollte die Wirtschaft nicht
abwürgen. Zu den harten Maßnahmen im November rang er sich letztlich

durch, als die Corona-Zahlen ihm quasi keine andere Möglichkeit mehr
ließen. Sein Labour-Konkurrent Keir Starmer hatte da schon lange
genau das gefordert, was letztlich Wirklichkeit wurde: strikte
Kontaktbeschränkungen und viele geschlossene Geschäfte.

Deutlich besser lief es, zumindest im Frühjahr, für Österreichs
Kanzler Sebastian Kurz. Der 34-Jährige reagierte auf die steigenden
Corona-Zahlen in seinem Land sofort mit einem harten Lockdown,
in Tirol wurden ganze Täler in Quarantäne geschickt. Dass Ischgl zum

europäischen Hotspot schlechthin wurde, blieb angesichts der
zielstrebigen Vorgehensweise nicht an ihm persönlich hängen. Sein
Credo: erst harte Maßnahmen, dann schnelle Rückkehr in die «neue

Normalität». Belohnt wurde das mit Umfragewerten jenseits des sowieso
schon guten Niveaus seiner konservativen ÖVP.

Mitte April stand die Partei in einer Umfrage bei 48 Prozent.
Inzwischen ist sie aber wieder auf Vor-Krisen-Niveau (rund 40
Prozent) abgefallen. Die Opposition dürfte angesichts dieser Zahlen
froh sein, dass derzeit keine Wahlen anstehen. In anderen Ländern
wurden sie mit Blick auf den Infektionsschutz in besonders
schwierigen Phasen oft verschoben, auch das dürfte vielerorts den
jeweiligen Oppositionsparteien entgegen gekommen sein.

Vor allem in der erste Phase einer Krise, im Corona-Fall also direkt
nach dem Ausbruch, schlägt die Stunde der Exekutive. «Da steigt die
Beliebtheit der Regierungen, das hat man in der allerersten Phase
direkt nach Ausbruch auch bei Donald Trump gesehen», erklärt der
Politikwissenschaftler Michael Zürn. Inzwischen sei aber bereits die
zweite Phase angebrochen, in der konkret «das Krisenmanagement und
der Erfolg der politischen Eingriffe eine große Rolle» spiele.

«Dort, wo sich das Krisenmanagement scheinbar und objektiv als gut
erwiesen hat, dort wird die Beliebtheit steigen. In Ländern wie
Spanien zum Beispiel hat sich das Blatt dagegen etwas gegen die
Regierung gewendet», sagt der Experte vom Wissenschaftszentrum Berlin
für Sozialforschung der Deutschen Presse-Agentur. Auch das Ergebnis
von Donald Trump bei der US-Präsidentenwahl sei durch diese zweite
Phase der Krise negativ beeinflusst worden: «Vieles spricht dafür,
dass Trump ohne die Corona-Krise gewonnen hätte.»

Auch über Trump hinaus schließt Zürn nicht aus, dass die Folgen der
Krise letztlich populistische Parteien stärken könnten. «Wenn etwa
Ungleichheit und eine rigide Sparpolitik wegen hoher Verschuldung die
ökonomische Transformation weiter beschleunigen werden, könnte das
auch die Bedeutung von autoritär-populistischen Parteien steigern»,
sagt Zürn.

In Deutschland hatte die Corona-Krise zunächst zu einem Umfragehoch
vor allem für die Union geführt. Anschließend ließen die
Zustimmungswerte nach, inzwischen zeigt die Kurve wieder leicht nach
oben. Die Zufriedenheit mit der Arbeit von Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU) war in einer Umfrage Mitte November so groß wie seit
April 2015 nicht mehr.

Zur Bundestagswahl Ende September 2021 dürften die langfristigen
Auswirkungen der Corona-Krise noch nicht im Fokus stehen,
prognostiziert Experte Zürn. «Der Moment des Erwachens und des
Feststellens, dass die Taschen leer sind, steht im Herbst noch nicht
auf der Agenda.» Einen allzu großen positiven Effekt der Krise auf
das Wahlergebnis etwa für die Union erwartet Zürn aber auch nicht.
«Im Fall Deutschland ist der Krisen-Effekt sehr stark mit der
Kanzlerin verbunden, die ja voraussichtlich nicht mehr antritt.»