Türkei verschärft Corona-Ausgangssperren - Ärzte warnen vor «Tsunam i»

Istanbul (dpa) - Angesichts stark steigender Fallzahlen verschärft
die Türkei ihre Corona-Restriktionen deutlich. Ausgangssperren würden
ab Freitag das gesamte Wochenende gelten, kündigte der türkische
Präsident Recep Tayyip Erdogan am Montag nach einer Kabinettssitzung
in Ankara an. Das Verbot beginnt demnach freitags um 21:00 Uhr und
endet montags um 5:00 Uhr. Supermärkte seien aber zu bestimmten
Zeiten geöffnet. Unter der Woche werde täglich eine abendliche
Ausgangssperre von 21:00 Uhr bis 5:00 Uhr gelten. Bislang galten nur
abendliche Ausgangssperren am Wochenende.

Ältere Menschen ab 65 Jahren und Jüngere unter 20 Jahren dürften
keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzen. Es würden zudem
keine Neujahrsfeiern abgehalten, sagte Erdogan. An Beerdigungen
dürften nur bis zu 30 Personen teilnehmen. Diese Bestimmungen gelten
demnach ab Dienstag. Die Zahl der Neuinfektionen war in der Türkei
zuletzt, wie in vielen anderen Ländern, stark gestiegen.

Zurzeit liegt die tägliche Zahl an Neuinfizierten in dem
83-Millionen-Land bei rund 30 000 Fällen. Nach offiziellen Angaben
starben am Montag zudem 188 Menschen an oder mit Covid-19. Die
Türkische Ärztevereinigung (TTB) zweifelt die Zahlen der Regierung an
und geht von täglich mindestens 50 000 neuen Fällen aus.

Die Vereinigung warnte am Montag erneut, dass staatliche
Krankenhäuser voll belegt seien. Die Angabe der Regierung, dass nur
rund 70 Prozent der Intensivbetten belegt seien, widerspreche den
Erhebungen der TTB, heißt es in einer Erklärung. «Patienten warten
manchmal tagelang auf ein Bett auf einer Intensivstation.» In manchen
Provinzen würden Patienten auf den Korridoren oder Kantinen
behandelt, es sei aber nicht ausreichend Personal und Ausstattung
vorhanden, um sie zu versorgen. Das Land erlebe zurzeit einen
«Tsunami», vor dem die TTB seit Monaten gewarnt habe.

Die Regierung müsse mehr Plätze in privaten und
Stiftungskrankenhäusern für Covid-Patienten zur Verfügung zu stellen,

forderte die TTB. Zwar seien private Kliniken zu
Pandemiekrankenhäusern erklärt worden. Diese gingen aber selektiv vor
und seien mit hohen Kosten für den Patienten verbunden.

Die türkische Regierung hatte vergangene Woche erstmals seit Monaten
die vollständigen Fallzahlen der täglich positiv auf das Coronavirus
getesteten Personen im Land bekanntgegeben. Zuvor war seit Ende Juli
nur die tägliche Zahl der Infizierten mit Symptomen veröffentlicht
worden.