Steinmeier und Merkel machen Mut in der Krise

Einschränkungen, Verzicht und Abstand - das wird nicht ewig dauern,
versprechen Spitzenpolitiker. Hoffnung gibt die Aussicht auf
Impfstoffe. Doch wie sollen die möglichst schnell unters Volk
gebracht werden?

Berlin (dpa) - Zum Beginn der Adventszeit hat Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier der Bevölkerung Mut zugesprochen. Obwohl
wegen der Corona-Krise zunächst weiter Verzicht gefragt sei, könne
Deutschland voller Zuversicht sein, schrieb das Staatsoberhaupt in
einem Gastbeitrag für die «Bild am Sonntag». Denn die Fortschritte
der medizinischen Forschung gäben Hoffnung, dass das Virus nicht
dauerhaft den Alltag beherrsche: «Die Pandemie wird uns die Zukunft
nicht nehmen.»

Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bemühte sich, Zuversicht zu
verbreiten: «Wir haben ein großes Stück des Weges zurückgelegt»
,
sagte sie in ihrem am Samstag veröffentlichen Video-Podcast . «Wir
können annehmen, dass ein oder mehrere Impfstoffe nicht am Sankt
Nimmerleinstag, sondern in absehbarer Zeit zur Verfügung stehen
können.»

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rechnet damit, dass im Dezember
ein erster Impfstoff zugelassen wird. Für Impfungen müsse es dann
rasch genügend medizinisches Personal geben, forderte der Deutsche
Städtetag von den Ländern. «Wenn der Impfstoff da ist, dürfen die
Impfungen nicht an fehlendem Personal scheitern», sagte
Städtetagspräsident Burkhard Jung (SPD) der Deutschen Presse-Agentur.
«Massenimpfungen» für die breite Bevölkerung werden nach seiner
Einschätzung aber nicht vor dem nächsten Sommer möglich.

Nach dem aktuellen ZDF-«Politbarometer» will sich gut die Hälfte der

Bürger (51 Prozent) impfen lassen, 29 Prozent sind sich da noch nicht
sicher und 20 Prozent wollen das definitiv nicht.

In Deutschland meldeten die Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut
(RKI) 14 611 neue Corona-Infektionen innerhalb von 24 Stunden und 158
neue Todesfälle, wie das RKI am Sonntag mitteilte. An Sonntagen und
Montagen sind die Zahlen vergleichsweise gering, weil laut RKI am
Wochenende weniger Proben genommen werden und insgesamt weniger
getestet wird.

«Die Städte unterstützen selbstverständlich tatkräftig den Aufbau
und
Betrieb der Impfzentren», sagte Jung. «Sie sind in der Lage, zügig
die notwendigen organisatorischen Vorbereitungen zu treffen. Das
heißt zum Beispiel Gebäude anmieten und ausstatten.» Die Kosten, die

den Kommunen entstünden, müssten Bund, Länder und Krankenkassen
ausgleichen.

Die Impfungen selbst seien Aufgabe der kassenärztlichen Vereinigungen
und ihrer niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, so Jung. Die
Gesundheitsämter seien bereits ausgelastet. «Wir fordern die Länder
auf, sich gemeinsam mit den kassenärztlichen Vereinigungen jetzt
schnell um genügend medizinisch-pflegerisches Personal für die
Impfzentren und die mobilen Impfteams zu kümmern.»

Gesundheitsminister Spahn hat die Länder nach eigenen Angaben
gebeten, dass die Impfzentren Mitte Dezember einsatzbereit sein
sollen. Jung warnte vor dem Eindruck, dass es ab Januar an vielen
Orten Impfzentren geben könne. «Tatsächlich gehen wir aber davon aus,

dass bis weit ins Frühjahr hinein vor allem mobile Impfteams in
Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser fahren», so Jung. Es dürfte
keine unrealistische Erwartungen geweckt werden. «Massenimpfungen für
die breite Bevölkerung werden nach den Plänen von Bund und Ländern
frühestens ab dem Sommer möglich sein.»

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warf Spahn vor, falsche
Erwartungen zu wecken. Irritierend seien zudem Äußerungen Merkels zur
geplanten Reihenfolge, sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa.
Wissenschaftliche Regierungsberater hatten Vorrang für Ältere und
Vorerkrankte empfohlen. Merkel sagte aber am Donnerstag: «Wir haben
verabredet, dass diese Impfstoffe dann den Menschen angeboten werden,
die im medizinischen, pflegerischen Bereich arbeiten, und sie als
erste Zugriff darauf haben.»

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) warb um Vertrauen.
Die zugelassenen Impfstoffe würden «wirksam und vor allem sicher
sein», versprach sie am Sonntag. Es sei erfreulich, dass sich rund
die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger impfen lassen wollten, sagte
sie der dpa. «Es wäre allerdings schön, wenn die Bereitschaft noch
etwas steigen würde.»

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist eine
Durchimpfungsrate von 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung nötig, um die
Corona-Pandemie zu bekämpfen. Karliczek bekräftigte, dass es keinen
Impfzwang geben werde. Aber: «Je höher die Impfquote im Laufe der
Zeit, desto eher ist es möglich, die vielen Einschränkungen
aufzuheben und zu unserem normalen Leben zurückzukehren.»

Die beiden Infektions-Hotspots Passau in Bayern und Hildburghausen in
Thüringen verschärften derweil die Auflagen. In Passau gilt seit
Samstag, dass Bürger ihre Wohnung nur noch aus triftigem Grund
verlassen dürfen, beispielsweise um zur Arbeit, zum Arzt oder zum
Einkaufen zu gehen. Der Kreis Hildburghausen verhängte nach einem
unangemeldeten Corona-Protest ein Versammlungsverbot ab Sonntag.

In Frankfurt (Oder) demonstrierten nach Polizeiangaben am Samstag bis
zu 1500 Menschen aus Deutschland und Polen gegen
Corona-Beschränkungen. Die Kundgebung wurde von der Initiative
«Querdenken» aus Duisburg organisiert. Die Veranstalter sprachen von
bis zu 1800 Menschen in der Spitze.