Vorwürfe gegen Polizei nach Abtreibungsverbot-Demo in Polen

Warschau (dpa) - Nach den Protesten gegen das strikte
Abtreibungsverbot in Polen vom Samstag hat eine Parlamentsabgeordnete
schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben. Ein Beamter habe ihr in
Warschau aus nächster Nähe Tränengas ins Gesicht gesprüht, sagte
Barbara Nowacka von der oppositionellen Bürgerkoalition der Zeitung
«Gazeta Wyborcza». Dabei habe der Polizist gewusst, dass sie eine
Parlamentarierin sei, denn sie habe ihm ihren Abgeordnetenausweis
vorgehalten.

Ein Sprecher des Polizeipräsidiums in Warschau kündigte am Sonntag
eine Untersuchung des Vorfalls an, wie die Agentur PAP berichtete. Es
sei unstrittig, dass Nowacka ihren Ausweis in der Hand gehalten habe.
Man müsse indes auch die Darstellung des Polizisten berücksichtigen.
Der Journalist Adam Bysiek vom Internet-Bürgerradio Halo.Radio teilte
bei Twitter mit, auch er habe bei der Demonstration Tränengas
abbekommen.

Kritiker bemängeln, dass die Polizei zunehmend härter gegen die
Frauenproteste vorgehe. Im Oktober hatte das Verfassungsgericht in
Warschau entschieden, dass Frauen selbst dann keine Abtreibung
vornehmen dürfen, wenn das ungeborene Kind schwere Fehlbildungen
aufweist. Seither gibt es Proteste. Das Abtreibungsrecht des stark
katholisch geprägten Landes gehört zu den strengsten in Europa.

Bei der Demonstration in Warschau vom Samstag wurden nach
Polizeiangaben elf Personen festgenommen. Bei mehr als 900
Teilnehmern seien die Personalien festgestellt worden. Ein Teil davon
müsse mit Geldbußen wegen Verstößen gegen die Corona-Regeln rechnen
.
Auch in anderen Städten wie Breslau (Wroclaw) gab es Kundgebungen.
Sie fanden am 102. Jahrestag der Einführung des Frauenwahlrechts in
Polen am 28. November 1918 statt.