Streit um Corona-Impfungen - Stiftung kritisiert Merkel und Spahn

Berlin (dpa) - Die Aussicht auf die ersten Corona-Impfstoffe heizt
die Debatte darüber an, wer in Deutschland zuerst geimpft werden
soll. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warf Gesundheitsminister
Jens Spahn (CDU) vor, falsche Erwartungen zu wecken. Irritierend
seien zudem Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die
geplante Reihenfolge zu ändern, sagte Vorstand Eugen Brysch am
Samstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Der Deutsche Ethikrat, die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina
und die am Robert Koch-Institut (RKI) angesiedelte Ständige
Impfkommission hatten am 9. November empfohlen, dass Ältere und
Vorerkrankte in die vorrangig zu priorisierende Personengruppe
gehören sollen. Dies solle besonders in Pflegeheimen mit vielen
Kontakten gelten. Zu einer zweiten bevorzugten Gruppe sollen demnach
Gesundheits- und Pflegebeschäftigte gehören. Darüber hinaus seien
unter anderem Polizisten, Feuerwehrleute und Lehrer prioritär zu
schützen. Erwartet wird, dass es zunächst zu wenige Impfdosen gibt.

Merkel hatte in ihrer Regierungserklärung am Donnerstag nun aber
gesagt: «Wir haben verabredet, dass diese Impfstoffe dann den
Menschen angeboten werden, die im medizinischen, pflegerischen
Bereich arbeiten, und sie als Erste Zugriff darauf haben.» Brysch
warnte nun davor, dass der Impfstoff doch nicht zunächst für
Pflegebedürftige, schwer und chronisch Kranke zur Verfügung steht.
«Die Hochrisikogruppe darf ihren ersten Platz nicht verlieren»,
forderte er. «Deshalb muss der Bundestag unverzüglich eine eindeutige
Priorisierung für Personen und Berufe festlegen.»

Brysch wies auf die noch offenen Fragen zur Wirkung der Seren hin.
«Die Impfstoffe helfen, die Erkrankung möglichst zu verhindern»,
sagte er. «Ob ein Serum die Infektion verhindern kann, ist reine
Spekulation.» Gesundheitsminister Spahn solle nicht den Eindruck
verbreiten, dass die Impfungen so vor dem Virus schützen würden, als
werde danach ein Schalter im Körper umgelegt.

Spahn hatte Bayerischen Rundfunk gesagt, er erwarte von Beschäftigten
in Krankenhäusern und Pflegeheimen, sich so bald wie möglich impfen
zu lassen. Es gehe auch um den Schutz derer, die man pflege. Laut
Brysch kann noch nicht ausgeschlossen werden, dass ein Geimpfter das
Virus nicht doch auch noch weitergeben könne.

Ethikrat, Impfkommission und Leopoldina hatten Anfang des Monats
betont, noch seien genaue Feststellungen zur Priorisierung nicht
getroffen. Es fehlten noch Daten.