«Gewisse Unbekannte»: Kanzleramtschef richtet Corona-Appell an Bürger

Weihnachten ist ein Fest in Privatheit, ob sich die Menschen an
Kontaktbeschränkungen halten, bleibt in der Familie. Der Politik
bleibt nicht viel mehr als der Appell ans Gewissen.

Berlin (dpa) - Die Bundesregierung setzt in der Vorweihnachtszeit
auch auf die Eigenverantwortung der Bürger, um persönliche Kontakte
zu reduzieren und die Corona-Pandemie besser in den Griff zu
bekommen. Weihnachten sei als «Fest der Privatheit» eine «gewisse
Unbekannte» in der Risikoabschätzung, sagte Kanzleramtschef Helge
Braun am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung «Maybrit Illner». «Ob wir

Weihnachten so vorbereiten und so leben im Familienkreis, dass es zum
Ansteckungsproblem wird, oder wir eben genau das Gegenteil erreichen
- das haben wir wirklich alle selber in der Hand.»

Die Gesamtzahl der bislang nachgewiesenen Corona-Infektionen in
Deutschland hat die Marke von einer Million überschritten. Die
Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) 22 806 neue
Corona-Infektionen binnen 24 Stunden (Stand: 27.11., 00.00 Uhr).
Damit stieg die Zahl der seit Beginn der Pandemie bekanntgewordenen
Fälle auf 1 006 394, wie das RKI am Freitagmorgen bekanntgab. Viele
Infektionen dürften aber unentdeckt geblieben sein, auch weil viele
Menschen keine oder kaum Symptome entwickeln. Am Freitag vor einer
Woche war mit 23 648 ans RKI übermittelten Fällen zuletzt ein
Höchststand bei den täglichen Neuinfektionen erreicht worden.

In einigen Bundesländern wird am Freitag über das weitere Vorgehen in
der Krise und die Beschlüsse vom Mittwoch beraten, darunter Bayern,
Sachsen-Anhalt, Sachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz
und das Saarland. Unter Umständen könnten die Corona-Verordnungen in
den Ländern nochmal verschärft werden. Schleswig-Holsteins
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte hingegen bereits einen
Sonderweg des Landes angekündigt und angesichts vergleichsweise
niedriger Infektionszahlen einige kleine Lockerungen avisiert.

Kontakte auf ein «absolutes Minimum» zu reduzieren sei die
Voraussetzung dafür, Verwandte sicher treffen zu können, sagte der
CDU-Politiker. «Keiner möchte gerne seine liebsten Angehörigen und
Verwandten anstecken.» Deshalb komme es sehr auf das Verhalten eines
jeden in der Vorweihnachtswoche an.

Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn rief die Bürger auf, ihrer
Eigenverantwortung gerecht zu werden. «Wir können am Ende nur mit
staatlichen Regeln nicht erzwingen, was notwendig ist in dieser
Pandemie», sagte der CDU-Politiker am Donnerstagabend in einem
ARD-«Extra». Die Menschen sollten aufeinander aufpassen und
Weihnachten vielleicht auch in kleinerem Rahmen feiern als sonst.

Bund und Länder hatten am Mittwochabend beschlossen, dass der
Teil-Lockdown mit der Schließung unter anderem von Restaurants,
Theatern und Freizeiteinrichtungen bis zum 20. Dezember verlängert
wird. Private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten
sollen auf maximal fünf Personen aus dem eigenen und einem weiteren
Haushalt begrenzt werden. Weihnachten soll aber gefeiert werden
können, im engsten Familien- und Freundeskreis mit maximal zehn
Menschen. Kinder bis 14 Jahre sind dabei jeweils nicht eingerechnet.

Allerdings gibt es einigen Ländern abweichende Regelungen. So will
Berlin die Lockerungen für Weihnachten nicht mitmachen. Hintergrund
ist das Überschreiten eines Schwellenwerts dort, auf den sich Bund
und Länder geeinigt hatten: Ab einer Zahl von 200 Neuinfektionen pro
100 000 Einwohner binnen einer Woche sollen die Corona-Regeln
nochmals verschärft werden. In Berlin lag diese sogenannte
Sieben-Tage-Inzidenz am Donnerstag bei 215,6.

Zudem wollen sowohl Berlin als auch Hessen und Nordrhein-Westfalen an
Weihnachten Hotelübernachtungen zulassen, entgegen dem Willen von
Kanzleramtsminister Braun. Wer eine Verwandtenreise mache, «der muss
ja auch die Chance haben, irgendwo übernachten zu können», sagte
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU).
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Berlins Regierender
Bürgermeister Michael Müller (SPD) erklärten, solche Übernachtungen

hätten keinen touristischen Zweck. Braun hingegen verwies im ZDF
erneut darauf, dass die Übernachtungsabsicht nicht zu kontrollieren
sei und die Gefahr eines touristischen Angebots durch die Hintertür
bestehe.

In Schleswig-Holstein mit seinen vergleichsweise niedrigen
Infektionszahlen können ab Montag Nagel- und Kosmetikstudios ebenso
wie Massagesalons und Tierparks wieder öffnen. Die
Sieben-Tage-Inzidenz in Schleswig-Holstein lag am Donnerstag nach
Angaben der Landesregierung vom Abend bei 47,6 Neuinfektionen pro 100
000 Einwohner.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte im
ARD-«Extra», er fände es besser, wenn alle Länder auf einer Linie
blieben. Auch machte Söder wenig Hoffnung, dass Bund und Länder bei
einem möglichen nächsten Treffen Mitte Dezember über Lockerungen der

Corona-Beschränkungen reden werden. Seit Beginn des Teil-Lockdowns
Anfang November habe man bestenfalls eine Stagnation der
Infektionszahlen erreicht. «Ich glaube nicht, dass es um große
Lockerungen geht. Hoffentlich wird es nicht um konsequentere
Maßnahmen gehen», sagte Söder. «Corona ist tatsächlich eine
Geduldsprobe für uns alle.»

Die von der Politik geforderten Kontaktreduzierungen wollen die
meisten Bürger laut Umfragen mittragen. 73 Prozent der Befragten
gaben im ARD-«Deutschlandtrend» an, Kontakte zu ihrer Familie oder
Besuche an den Weihnachtsfeiertagen mehr oder minder stark
einschränken zu wollen. Knapp ein Viertel (23 Prozent) plant demnach
keine Einschränkung. Auch in einer Civey-Umfrage im Auftrag des
Nachrichtenportals «T-Online» gaben gut 82 Prozent an, sie würden
sich wahrscheinlich an die Kontaktregeln zu Weihnachten halten.

CDU-Vorsitzkandidat Friedrich Merz verteidigte seine Äußerung, es
gehe den Staat nichts an, wie man Weihnachten feiere. «Es muss gerade
zu Weihnachten Räume für das Privatleben und die Familien geben, die
der Staat grundsätzlich nicht kontrolliert. Er darf und sollte für
die Weihnachtstage auf das Verantwortungsgefühl der Menschen im Land
setzen», sagte Merz der «Rheinischen Post» (Freitag).

Die Gesamtzahl der bislang nachgewiesenen Corona-Infektionen in
Deutschland hat die Marke von einer Million überschritten. Die
Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) 22 806 neue
Infektionen binnen 24 Stunden (Stand: 27.11., 00.00 Uhr). Damit stieg
die Zahl der seit Beginn der Pandemie bekanntgewordenen Fälle auf 1
006 394, wie das RKI am Freitagmorgen bekanntgab. Am Freitag vor
einer Woche war mit 23 648 ans RKI übermittelten Fällen ein Rekord
bei den täglichen Neuinfektionen erreicht worden. Die Zahl der
Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus stieg bis Freitag um 426 auf
insgesamt 15 586 - das bedeutet einen neuen Tageshöchstwert.