Klarheit zu neuen Corona-Regeln am Freitag - Klage gegen Verordnung

Bund und Länder sind sich einig, dass die Ausbreitung des Coronavirus
auch im Dezember mit scharfen Einschränkungen verhindert werden soll.
Genaue Regeln fixiert das Magdeburger Kabinett am Freitag. Das
Verfassungsgericht prüft, ob die Regeln überhaupt zulässig sind.

Magdeburg/Dessau-Roßlau (dpa/sa) - Bund und Länder haben in der
Corona-Pandemie einen verlängerten Teil-Lockdown und schärfere
Kontaktregeln beschlossen - welche Regeln in Sachsen-Anhalt gelten,
will die schwarz-rot-grüne Landesregierung am Freitag festlegen. Für
den Nachmittag sei eine Video-Schalte geplant, um die
Corona-Verordnung zu ändern, hieß es am Donnerstag aus der
Staatskanzlei. Am Abend will Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU)
dann die Ergebnisse bekannt geben.

Unterdessen wird die Verordnung ein Fall für das Verfassungsgericht.
Auf Antrag der AfD-Fraktion im Landtag werden die Richter in
Dessau-Roßlau prüfen, ob einzelne Regeln zulässig sind, wie eine
Gerichtssprecherin am Donnerstag sagte.

Haseloff hatte die Sachsen-Anhalter bereits am Mittwochabend darauf
eingestimmt, dass sich die strengen Beschränkungen wegen des
anhaltenden Infektionsgeschehens wohl bis in den Januar ziehen
werden. Einig sind sich Bund und Ländern, dass die seit Anfang
November geltenden Schließungsanordnungen für Restaurants, Hotels,
Freizeit-, Sport- und Kulturbetrieb bis zum 20. Dezember verlängert
werden. Im Gegenzug soll es erneut Entschädigungen für die
betroffenen Branchen geben. Noch vor Weihnachten solle die
Corona-Lage geprüft werden, hieß es.

Einig sind sich die Länder auch, dass Schulen und Kitas möglichst
uneingeschränkt offen bleiben. Im Gegenzug soll es in allen Regionen
eine Maskenpflicht für Schülerinnen und Schüler ab der 7. Klasse
geben, in denen es mehr als 50 neue Corona-Fälle je 100 000
Einwohnern und Woche gibt. Digitaler Fernunterricht und das
sogenannte Wechselmodell, bei dem die Klassen geteilt werden und
abwechselnd zuhause und in der Schule lernen, sollen nur umgesetzt
werden, wenn es «besonders extreme Infektionslagen» mit mehr als 200
Neu-Infektionen je 100 000 Einwohner und Woche gibt.

Damit dürfte das schwarz-rot-grüne Kabinett am Freitag beschließen,
dass auch an den staatlichen Schulen in Sachsen-Anhalt ältere
Schülerinnen und Schüler im Unterricht eine Mund-Nasen-Bedeckung
tragen müssen. Bisher hatte Bildungsminister Marco Tullner (CDU) das
als unzumutbar abgelehnt. Wenn allerdings Bund und Länder eine solche
Pflicht beschlössen, werde Sachsen-Anhalt mitziehen, lenkte er
zuletzt ein.

Auch im Alltag soll die Maskenpflicht ausgeweitet werden: Zusätzlich
zu öffentlich zugänglichen Räumen und im öffentlichen Nahverkehr
müssen alle Menschen auch vor Einzelhandelsgeschäften und auf
Parkplätzen ihren Mund-Nasen-Schutz tragen.

Noch unklar ist, wie Sachsen-Anhalt die schärferen Kontaktregeln
umsetzt. Das werde am Freitag abschließend beredet, sagte Haseloff.
Laut der Bund-Länder-Vereinbarung dürfen sich künftig nur noch fünf

statt zehn Menschen aus zwei Haushalten treffen. Für die Zeit
zwischen Weihnachten und Neujahr soll die Zehner-Regel gelten; Kinder
unter 14 Jahren werden dabei nicht mitgezählt.

Sachsen-Anhalt wird wahrscheinlich auf die Einschränkung auf maximal
zwei Haushalte verzichten, wie Haseloff ankündigte. Die Fixierung auf
Hausstände sei schwer zu fassen und entspreche nicht der
Lebensrealität vieler Menschen im Land. Zudem sei offen, ob die
familienfeierfreundlichere Regelung für die letzten Tage des Jahres
nur an den Weihnachts- und Silvestertagen gelten soll, oder im
gesamten Zeitraum. Die Bund-Länder-Einigung lasse beides zu. Klar
ist, dass es kein generelles Böllerverbot an Silvester gibt. An
zentralen Plätzen, an denen sich Menschentrauben bilden könnten, soll
es aber untersagt werden.

Sachsen-Anhalt ist seit Beginn der Pandemie mehrfach von gemeinsamen
Bund-Länder-Beschlüssen abgewichen und hatte das mit vergleichsweise
niedrigen Infektionszahlen begründet. Der Spielraum für die
lockereren Regeln des sogenannten Sachsen-Anhalt-Wegs bestehe derzeit
nicht, sagte Haseloff. Zwar sind die Fallzahlen hierzulande weiterhin
vergleichsweise niedrig. Ziel der verlängerten Beschränkungen ist es
jedoch, möglichst viele Ansteckungen zu verhindern und auf weniger
als 50 Fälle je 100 000 Einwohner und Woche zu kommen.

Am Donnerstag gab es keinen Landkreis, der laut Übersicht des
Gesundheitsministeriums unter dieser Schwelle blieb. Der Landkreis
Harz kommt der Grenze mit 59 noch am nächsten, besonders belastete
Regionen wie der Burgenlandkreis (149), der Saalekreis (145) und das
Jerichower Land (118) liegen hingegen weit darüber. Im Landesschnitt
erhöhte sich der Wert seit Beginn des Teil-Lockdowns von 36 auf
zuletzt 92.

Der parteilose Oberbürgermeister von Halle, Bernd Wiegand, begrüßte
die Bund-Länder-Beschlüsse für einen verlängerten Teil-Lockdown mit

strengeren Kontaktregeln. «Was bisher gemacht wurde, reicht nicht
aus», sagte er am Donnerstag. Die neuen Corona-Maßnahmen seien
notwendig. Wiegand selbst denkt nach eigenen Worten darüber nach, die
bereits in der Innenstadt geltende Maskenpflicht im Freien weiter
auszuweiten.

Die verlängerten Beschränkungen träfen viele Handwerker sehr hart,
teilte die Handwerkskammer Magdeburg mit. Doch eine weitere Phase der
Kontaktreduzierung sei wohl notwendig, auch weil viele Betriebe durch
eine hohe Zahl an Quarantänefällen ihrer Beschäftigten in der
Arbeitsfähigkeit stark beeinträchtigt seien.

Ganz anders sieht das die AfD im Magdeburger Landtag. Die Maßnahmen
seien völlig überzogen und außerdem weder geeignet noch angemessen,
teilte Fraktionschef Oliver Kirchner mit. Deswegen wandten sich die
Abgeordneten mit einem Eilantrag und einem Normenkontrollantrag beim
Verfassungsgericht gegen die geltende 8. Coronaverordnung.

Wann die Richter in Dessau-Roßlau entscheiden, steht noch nicht fest.
Zunächst können Landesregierung und Landtag bis nächsten Dienstag zu

den vorgebrachten Argumenten Stellung nehmen. Das Magdeburger
Oberverwaltungsgericht hatte zuletzt mehrere Eilanträge gegen den
Teil-Lockdown abgewiesen und die Maßnahmen für verhältnismäßig
erklärt.