Neue Corona-Regeln für die Bahn - vorerst keine Reservierungspflicht Von Burkhard Fraune und Matthias Arnold, dpa

Mehr Züge, dafür weniger Reservierungmöglichkeiten: Nach dem
Bund-Länder-Beschluss zur Corona-Krise passt die Deutsche Bahn ihr
Angebot im Fernverkehr an. Die von vielen Seiten kritisierte
Reservierungspflicht ist vorerst vom Tisch.

Berlin (dpa) - Die neuen Corona-Beschränkungen von Bund und Ländern
machen sich auch im Fernverkehr der Deutschen Bahn
bemerkbar: Fahrgäste können von Freitag an nur noch einen Sitzplatz

pro Doppelsitz reservieren, wie der bundeseigene Konzern am
Donnerstag mitteilte. Der jeweilige Platz daneben bleibt demnach für
eine Reservierung gesperrt. Insgesamt sollen maximal 60 Prozent der
Plätze pro Zug reservierbar sein. Zuvor hatte die «Bild»-Zeitung
über
die Pläne berichtet.

An den Tischen sind demnach nur sich schräg gegenüberliegende Plätze

reservierbar. Gemeinsam Reisende wie Familien und Paare können in
Extra-Bereichen nebeneinander liegende Sitzplätze reservieren, wie es
hieß. Einzelreisenden werden der Bahn zufolge automatisch
Fenstersitzplätze zugewiesen, sofern diese noch frei sind. Allerdings
können Fahrgäste auch weiterhin ohne Reservierung in den Zug steigen.


«Ab Mitte Dezember bieten wir darüber hinaus mit neuen Zügen
zusätzlich tausende Sitzplätze und häufigere Fahrten auf vielen
Hauptstrecken an», teilte Personenverkehrsvorstand Berthold Huber
mit. Um rund 10 Prozent will die Bahn eigenen Angaben zufolge das
aktuelle Fahrplanangebot aufstocken.

Die Bahn folgt damit den Anordnungen des Bundes und der Länder, die
sich am Mittwochabend auf diese Maßnahmen geeinigt hatten, um soziale
Kontakte zu erschweren und das Coronavirus weiter zurückzudrängen. Um
eine Reservierungspflicht, wie sie zwischenzeitlich in den
Vorschlägen des Bundes auftauchte, ist die Bahn damit vorerst
herumgekommen. «Die Entscheidung von Bund und Ländern begrüßen wir
»,
teilte Huber mit.

Zwar sind fortan nur noch bestimmte Sitze in einem Zug reservierbar
und zu volle Züge sollen online gar nicht mehr buchbar sein. Doch wer
ein flexibles Ticket ohne Reservierung kauft, kann sich trotzdem auf
den Sitzen am Gang niederlassen, sollte es keinen freien Fensterplatz
mehr geben.

Die Bahn hofft, die Auslastung mit dem zusätzlichen Fahrplanangebot
so gering zu halten, dass solche Situationen nur selten auftreten
werden. In den vergangenen Wochen ist die Nachfrage ohnehin wieder
deutlich gesunken. Die Fernzüge sind derzeit laut Bahn lediglich zu
20 bis 25 Prozent ausgelastet. Im Sommer nach dem ersten Lockdown lag
sie bei rund 30 bis 40 Prozent. In normalen Zeiten sind es im Schnitt
60 Prozent.

Eine Reservierungspflicht, mit der das Fahrgastaufkommen in den Zügen
möglicherweise besser gesteuert werden könnte, hatte die Bahn stets
abgelehnt. Auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hält
nichts von der Idee. Sie fürchtet um zusätzliche Belastungen für die

Zugbegleiter, die durchsetzen müssten, dass tatsächlich kein Fahrgast

ohne Reservierung an Bord geht.

Und selbst der Fahrgastverband Pro Bahn ist dagegen. «Ein nicht
unerheblicher Teil der Reisenden im Fernverkehr nutzen diesen auch
für Strecken im Bereich von ca. 50 bis gut 100 Kilometern», teilte
der Verband bereits am Mittwoch mit. Viele Pendler würden mit einer
Reservierungspflicht aber Flexibilität einbüßen, weil sie nicht mehr

spontan den Fernverkehr nutzen könnten.

Pro-Bahn-Ehrenvorsitzender Klaus-Peter Naumann hält die nun
beschlossenen Maßnahmen angesichts der geringen Nachfrage deshalb für
ausreichend. «Wenn das technisch funktioniert, ist das eine gute
Sache», sagte er am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. «Wenn
plötzlich doch deutlich mehr Reisende als gedacht mit der Bahn
fahren, kann man immer noch überlegen, ob man einzelne Züge mit einer
Reservierungspflicht belegt. Dazu sehen wir aber keinen Anlass.»

Nachbesserungen an den Regelungen für die Bahn forderte hingegen
Marion Jungbluth, Leiterin des Teams Mobilität und Reisen beim
Verbraucherzentrale Bundesverband. «Die Vorschläge sind nicht zu Ende
gedacht und müssen durch Kulanz-Regelungen ergänzt werden», sagte sie

dem «Handelsblatt». Bereits gekaufte Tickets müssten angesichts der
Erwartung, dass die Bevölkerung aufs Reisen verzichte, kostenfrei
zurückgegeben oder umgebucht werden können.