Längerer Teil-Lockdown absehbar - Offene Fragen bei Schulen

Am Mittwoch wollen Bund und Länder Klarheit schaffen, wie es
weitergeht mit den Corona-Maßnahmen - und wie Deutschland Weihnachten
und Silvester verbringt. Einige Punkte zeichnen sich schon.

Berlin (dpa) - Die Hoffnung vieler Menschen in Deutschland auf ein
baldiges Ende des Teil-Lockdowns wird sich angesichts hoher
Infektionszahlen wohl zerschlagen. Nach Abstimmungen zwischen den
Ländern zeichnete sich am Montag vielmehr eine Verlängerung der
Schließungen in Gastronomie, Kultur- und Freizeitbereich um
mindestens drei Wochen bis zum 20. Dezember ab. Im Gespräch waren
zudem schärfere Kontaktbeschränkungen für private Treffen und
womöglich eine erweiterte Maskenpflicht an Schulen.

Das ging aus Papieren der unionsgeführten Länder sowie Berlin als
Vorsitzland der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) hervor, die der
Deutschen Presse-Agentur vorliegen. Im Verlauf des Montag wollten die
Länder intern einen gemeinsamen Vorschlag über das weitere Vorgehen
in der Corona-Pandemie abstimmen. Am Abend besprachen sich dazu
stundenlang die Ministerpräsidenten in einer Video-Schalte.

Am Mittwoch steht dann die nächste Videokonferenz mit Bundeskanzlerin
Angela Merkel (CDU) an: Dort werden dann weitreichende Beschlüsse
erwartet, die über den Dezember mit der Weihnachtszeit hinausgehen
sollen.

Nach einem bereits am Sonntag bekanntgewordenen Beschlussentwurf des
aktuellen MPK-Vorsitzenden, Berlins Regierendem Bürgermeister Michael
Müller (SPD), sollen zumindest die Kontaktbeschränkungen über die
Weihnachtstage etwas gelockert werden - damit Familien die Festtage
gemeinsam verbringen können. Generell sollen sie aber bis Mitte
Januar gelten.

Vorgeschlagen wird außerdem, ab 20. Dezember die Anti-Corona-
Maßnahmen immer um jeweils 14 Tage zu verlängern, wenn das
Infektionsgeschehen nicht deutlich abnimmt. Davon ist im Papier der
unionsgeführten Länder jedoch keine Rede. Die Unionsländer schlagen
vor, dass Länder, die weniger als 50 Neuinfektionen pro Woche und
100 000 Einwohner verzeichnen, den Teil-Lockdown abmildern können -
im Papier Berlins ist von einem Wert von 35 die Rede. Ob ein
Böllerverbot zu Silvester im Kampf gegen die Pandemie helfen kann,
wird zwischen den Ländern kontrovers diskutiert.

MPK-Chef Müller begründete die Verlängerung des Teil-Lockdowns mit
der hohen Belastung des Gesundheitswesens in Deutschland. «Es gibt
Bundesländer, wo sich die Infektionszahlen nach unten entwickeln, in
anderen Bundesländern, vor allen Dingen auch in den Großstädten,
stagnieren die Zahlen nur», sagte er am Montag in der
ARD-«Tagesschau». «Und das ist etwas, was noch nicht ausreicht, um
unser Gesundheitssystem zu entlasten.»

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) unterstrich,
die Regierungschefs der Länder seien sich einig, dass jetzt keine
Zeit für Lockerungen sei. «Wir plädieren daher für eine Verlänger
ung
des Teil-Lockdowns.» Wie Haseloff warb auch Mecklenburg-Vorpommerns
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) dafür, dass die
Kontaktbeschränkungen an den Weihnachtstagen und zum Jahreswechsel
gelockert werden. «Ich finde es richtig, dass man zu Weihnachten
ermöglicht, dass wenigstens zehn Personen zusammenkommen können»,
sagte sie im Deutschlandfunk. Zugleich müssten Lockerungen möglich
sein für Gebiete, die deutlich und dauerhaft weniger als 50
Neuinfektionen binnen einer Woche pro 100 000 Einwohner haben.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, die zweite Welle
sei zwar gebrochen, das Niveau sei aber weiter zu hoch. Das Virus
zwinge dazu, auf einige Freiheiten eine Zeit lang zu verzichten, um
Freiheit und Gesundheit insgesamt zu erhalten und zurückzugewinnen.
Kanzlerin Merkel will am Donnerstag nach den Beratungen von Bund und
Länden zur Corona-Krise eine Regierungserklärung im Bundestag
abgeben, wie Regierungssprecher Steffen Seibert ankündigte.

Die Vorschläge des MPK-Vorsitzes, die unter anderem der «Berliner
Morgenpost», dem Wirtschaftsmagazin «Business Insider» und der
Deutschen Presse-Agentur vorliegen, sehen Folgendes vor:

KONTAKTBESCHRÄNKUNGEN: Die Menschen bleiben aufgerufen, jeden nicht
notwendigen Kontakt zu vermeiden und möglichst zu Hause zu bleiben.
Zur weiteren Vermeidung von Kontakten werden die Arbeitgeber gebeten,
unbürokratisch Homeoffice zu ermöglichen. Die für November geltenden

Maßnahmen sollen bundesweit bis zum 20. Dezember verlängert werden.

Länder, die weniger als 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner
innerhalb von sieben Tagen und eine sinkende Tendenz dieses Wertes
verzeichnen, sollen davon schon vor dem 20. Dezember abweichen
können. Wird bis zum Stichtag keine bundesweit signifikant sinkende
Tendenz erreicht, sollen die Maßnahmen für jeweils 14 Tage verlängert

werden, bis dieses Ziel erreicht ist. Die Position der Unionsländer
weicht ab: Sie wollen den Ländern bereits bei weniger als 50
Neuinfektionen pro Woche und 100 000 Einwohnern Lockerungen
ermöglichen. Über eine Fortsetzung der Schließungen solle demnach am

15. Dezember beraten werden.

PRIVATE ZUSAMMENKÜNFTE: Bis 17. Januar sieht der Berliner Vorschlag
weitere erhebliche Kontaktbeschränkungen vor, um die Infektionen
mittelfristig zu reduzieren. So sollen private Zusammenkünfte mit
Verwandten und Bekannten auf den eigenen und einen weiteren Haushalt,
jedoch in jedem Fall auf maximal fünf Personen beschränkt werden.
Kinder bis 14 Jahre sollen von dieser Regel ausgenommen werden.

WEIHNACHTEN: Bei den Vorschlägen für die Weihnachtstage gab es in dem
Entwurf eckige Klammern, über deren Inhalt noch beraten werden muss.
So sollen nach den Vorstellungen des MPK-Vorsitzes die Obergrenzen
für Zusammenkünfte in Gebäuden und im Freien vom 21. bis zum 27.

Dezember - also über die Weihnachtstage - erweitert werden auf einen
Haushalt mit haushaltsfremden Familienmitgliedern oder
haushaltsfremden Personen bis maximal fünf Personen. Alternativ gibt
es die Überlegung, diesen Zeitraum vom 21. Dezember bis zum 3. Januar
auszudehnen und die Beschränkung auf maximal zehn Personen
festzulegen. Kinder bis 14 Jahre sollen jeweils ausgenommen werden.

Wo immer möglich, solle man sich vor und nach den Feiertagen in eine
möglichst mehrtägige häusliche Selbstquarantäne begeben. Diese Rege
l
ist allerdings lediglich als Appell formuliert.

SCHULEN: Schüler ab der siebten Klasse sollen auch im Unterricht
Maske tragen. Gelten soll das für Schüler und Berufsschüler in
Regionen mit deutlich mehr als 50 Neuansteckungen pro 100 000
Einwohnern innerhalb von sieben Tagen - was derzeit vielerorts der
Fall ist. Schulen ohne Corona-Fälle können davon ausgenommen werden.
Die Unionsländer wollen eine Maskenpflicht für alle Schüler auch im
Unterricht.

Für die Schulen wird seitens des MPK-Vorsitzes eine Teststrategie
vorgeschlagen: Tritt in einer Klasse ein Corona-Fall auf, soll diese
Klasse zusammen mit den betroffenen Lehrkräften für fünf Tage in
Quarantäne. Am fünften Tag soll es für alle einen Schnelltest geben.

Fällt der negativ aus, kann die Klasse wieder an die Schule. Der Bund
solle zusätzliche Kapazitäten von Antigen-Tests zur Verfügung
stellen.

Die Ausgestaltung weiterer Maßnahmen wie etwa Wechselunterricht wird
den Ländern überlassen. Schülerfahrten und internationaler Austausch

sollen untersagt bleiben. Es wird empfohlen, den Unterrichtsbeginn zu
staffeln, um den Schulverkehr zu entzerren.

SILVESTER: Verkauf, Kauf und Zünden von Feuerwerk soll nach dem
Müller-Papier verboten werden. Damit sollen Einsatz- und Hilfskräfte
entlastet und die Kapazitäten des Gesundheitssystems frei gehalten
werden. Die Unionsländer wollen nur Feuerwerk auf belebten Plätzen
verbieten und ansonsten einen Verzicht lediglich empfehlen.

MUND-NASEN-BEDECKUNG: Für öffentliche Verkehrsmittel sowie in
geschlossenen Räumen, die öffentlich oder im Rahmen eines Besuchs-
oder Kundenverkehrs zugänglich sind, soll es eine Pflicht zum Tragen
einer Mund-Nasen-Bedeckung geben. Auch an Orten unter freiem Himmel,
an denen sich Menschen auf engem Raum aufhalten, soll demnach eine
das Tragen einer solchen Bedeckung vorgeschrieben werden. Jene Orte
sollen von den zuständigen Behörden festgelegt werden. Auch in
Arbeits- und Betriebsstätten soll eine Maske getragen werden. Am
jeweiligen Arbeitsplatz soll das nicht gelten, wenn ein Abstand von
1,5 Metern zu einer weiteren Person eingehalten werden kann.

HOCHSCHULEN UND UNIVERSITÄTEN: Sie sollen grundsätzlich auf digitale
Lehre umstellen. Ausnahmen soll es nur für Laborarbeiten, Praktika
und Prüfungen geben.

GOTTESDIENSTE: Bund und Länder sollen das Gespräch mit den
Religionsgemeinschaften suchen, um möglichst Vereinbarungen für
Gottesdienste und andere religiöse Zusammenkünfte zu treffen. Auch
hier wieder das Ziel: Kontakte reduzieren. Religiöse Zusammenkünfte
mit dem Charakter von Großveranstaltungen sollen vermieden werden.

WIRTSCHAFT, KULTUR, REISEBRANCHE, SOLOSELBSTSTÄNDIGE: Auch die
staatlichen Hilfen für betroffene Betriebe sollen bis 20. Dezember
verlängert werden. Die Ausgaben für diese Unterstützung im November
werden auf 15 Milliarden Euro beziffert.

Vorgeschlagen wird auch, Hilfsmaßnahmen für Branchen, die absehbar in
den kommenden Monaten weiterhin «erhebliche Einschränkungen»
hinnehmen müssten, bis Mitte 2021 zu verlängern. Genannt werden die
Kultur- und Veranstaltungswirtschaft, Soloselbstständige und die
Reisebranche.

REISERÜCKKEHRER: Der Entwurf schlägt vor, dass die häusliche
Quarantäne bei Reiserückkehrern und Kontaktpersonen einheitlich auf
zehn Tage im Regelfall festgelegt werden soll - gerechnet ab dem Tag
der Einreise beziehungsweise dem letzten Tag des Kontakte.

GESETZLICHE KRANKENVERSICHERUNG: Die Länder wollen den Bund nach dem
Entwurf bitten, wie eine steuerfinanzierte Stabilisierung der
GKV-Beiträge aussehen könnte, damit die durch die Pandemie im
Gesundheitswesen verursachten Kosten nicht einseitig durch die
gesetzlich Versicherten abgefedert werden müssen. Als Möglichkeit
wird ein Solidaritätszuschlag genannt.