Zum dritten Mal Hoffnung - Auch Astrazeneca legt Impfstoff-Daten vor Von Larissa Schwedes, dpa

Nach den vielversprechenden Nachrichten aus Deutschland und den USA
legt nun die Universität Oxford mit dem Pharmakonzern Astrazeneca
nach: Ihr Impfstoff soll ebenfalls wirksam gegen Covid-19 sein. Er
ist eines der Mittel, auf das die EU große Hoffnungen setzt.

London (dpa) - Es ist das dritte Zeichen der Hoffnung innerhalb
weniger Wochen: Mit dem britisch-schwedischen Pharmakonzern
Astrazeneca scheint ein weiteres Unternehmen einen wirksamen
Corona-Impfstoff gefunden zu haben. Das mit der Universität Oxford
entwickelte Mittel biete nach vorläufigen Studiendaten im Mittel
einen 70-prozentigen Schutz vor Covid-19, teilte Astrazeneca am
Montag mit. Bei spezieller Dosierung könnte die Wirksamkeit demnach
womöglich noch deutlich höher liegen, dazu sind aber zunächst weitere

Analysen nötig. Die sogenannten mRNA-Impfstoffe von Pfizer/Biontech
und Moderna haben nach vorläufigen Daten rund 95 Prozent Wirksamkeit,
wie die Hersteller mitgeteilt hatten.

Ein Vorteil des britischen Mittels: Anders als etwa das
Pfizer-Präparat kann der Astrazeneca-Impfstoff bei
Kühlschranktemperaturen von zwei bis acht Grad transportiert und
aufbewahrt werden. «Auch wenn die Effektivität insgesamt ein wenig
geringer erscheint als mit mRNA-Impfstoffen, hat AZD1222 einen großen
Vorteil: Er ist robust und einfach in der Handhabung, quasi die
«Arbeitsbiene» unter den potenziell verfügbaren Impfstoffen gegen
Covid-19», erklärte der Münchner Infektiologe Clemens Wendtner. Das
mache es einfacher, ihn auch in Ländern mit weniger Ressourcen für
aufwendige Kühlketten einzusetzen.

Der Oxford/Astrazeneca-Wirkstoff gehörte bereits seit längerem zu den
vielversprechenden Kandidaten: So hatte die EU bereits vorab bis zu
300 Millionen Dosen davon bestellt. Insgesamt wurden weltweit bereits
mehrere Milliarden Dosen bei Astrazeneca in Auftrag gegeben. Man
wolle - nach den noch notwendigen Zulassungen - noch vor Jahresende
mit der Auslieferung beginnen, so der Konzern. Weltweit sollten bis
Ende März bereits mehr als 300 Millionen Impfdosen ausgeliefert sein.
Insgesamt sollten 2021 drei Milliarden Dosen zur Verfügung stehen,
wovon mehr als 50 Millionen für Deutschland vorgesehen seien, sagte
eine Sprecherin von Astrazeneca auf Anfrage der Deutschen
Presse-Agentur.

Hoffnung auf eine womöglich über 70 Prozent liegende Wirksamkeit
macht den Forschern zufolge ein überraschendes Teilergebnis der
klinischen Tests: Der Impfstoff wirkt ersten vorläufigen Daten
zufolge offenbar effektiver, wenn den Probanden beim ersten Mal nur
eine halbe Impfdosis statt einer ganzen verabreicht wird.
«Erfreulicherweise haben wir herausgefunden, dass das
Dosierungsschema sogar eine 90-prozentige Wirksamkeit haben könnte
und, wenn es eingesetzt wird, noch mehr Menschen mit den verfügbaren
Dosen geimpft werden könnten», sagte der Chef-Forscher der
Impfstoffentwicklung von der Universität Oxford, Andrew Pollard.

Pollard und seine Kollegen erklären diese - bislang nur vorläufigen
Hinweise - damit, dass eine niedrigere erste Impfdosis das
körpereigene Immunsystem vielleicht besser ankurbeln und die zweite
Dosis dann einen stärkeren «Booster-Effekt» haben könnte.

Gerd Fätkenheuer von der Uniklinik Köln mahnte zu Geduld. Die
Unterschiede bei den beiden Testläufen seien zunächst nicht
einleuchtend und es müssten weitere Daten abgewartet werden, bis man
das besser einschätzen könne. «Insgesamt ist es jedoch sehr
erfreulich, dass jetzt bereits ein dritter Impfstoff kurz vor der
Einführung steht.»

Sein Kollege Leif Sander von der Berliner Charité wies darauf hin,
dass bereits verfügbare Influenza-Impfstoffe auch bestenfalls bei 70
Prozent Wirksamkeit lägen - manche sogar darunter. Insofern sei ein
ähnlich wirksamer Corona-Impfstoff auf jeden Fall «eine wertvolle
Ergänzung in der globalen Pandemiebekämpfung», sagte er der Deutschen

Presse-Agentur.

Der CDU-Europapolitiker Peter Liese äußerte die Hoffnung, dass
«vielleicht schon in diesem Jahr drei Impfstoffe zur Verfügung
stehen». Es sei zudem gut, dass neben den zwei neuartigen Impfstoffen
der Unternehmen Biontech/Pfizer und Moderna auch ein sogenannter
Vektor-Impfstoff nach bekannter Technik entwickelt werde. Er rechne
damit, dass die Europäische Arzneimittelagentur die Studiendaten
womöglich noch vor Weihnachten prüfe, erklärte der
Gesundheitspolitiker. Mit ein bis drei Impfstoffen könne die Pandemie
binnen wenigen Wochen ihren Schrecken verlieren - weil dann
Risikogruppen geimpft seien und es weniger schwere Krankheitsverläufe
gebe.

Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rechnet noch in
diesem Jahr mit ersten Impfungen. «Es gibt Anlass zum Optimismus,
dass es noch in diesem Jahr eine Zulassung für einen Impfstoff in
Europa geben wird. Und dann können wir mit den Impfungen sofort
loslegen», sagte Spahn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland
(RND/Montag). Er habe die Länder gebeten, dass die Impfzentren Mitte
Dezember einsatzbereit sein sollen. Das scheine zu klappen.

Der Wirkstoff AZD1222 beruht auf der abgeschwächten Version eines
Erkältungsvirus von Schimpansen. Es enthält genetisches Material
eines Oberflächenproteins, mit dem der Erreger Sars-CoV-2 an
menschliche Zellen andockt. Das Mittel wirkt zweifach: Es soll sowohl
die Bildung von spezifischen Antikörpern als auch von T-Zellen
fördern - beide sind für die Immunabwehr wichtig. Anders als die
Impfstoffe der Mainzer Firma Biontech und des Pharmakonzerns Pfizer
sowie der US-Firma Moderna gehört das britisch-schwedische Präparat
nicht zu den mRNA-Impfstoffen.

Die Oxford-Forscher hatten erst kürzlich im Fachmagazin «The Lancet»

berichtet, dass ihr Impfstoff in klinischen Tests der Phase II auch
bei den besonders gefährdeten älteren Probanden gut wirke. In der
Phase-II-Studie habe es bei Teilnehmern sowohl unter als auch über 56
Jahren eine gute Immunantwort gegeben, schrieb das Team. Das Vakzin
sei von Älteren sogar besser vertragen worden als von Jüngeren.
Außerdem sehen die Forscher erste Hinweise darauf, dass das Mittel
auch die Übertragung des Virus positiv vermindern könnte.

Ob heute ein aufregender Tag sei, fragte ein Journalist die Forscher
aus Oxford kurz nach der Ankündigung in einer Online-Pressekonferenz.
Vorsichtiges Nicken und Lächeln in der Runde. Ein wirklich
aufregender Tag sei es aber gewesen, als Pfizer und Biontech ihren
Durchbruch verkündeten hätten. «Sie haben erstmals gezeigt: Es ist

möglich», sagte Oxford-Forscherin Sarah Catherine Gilbert. «Es gibt
dabei nicht wirklich einen Wettstreit. Wir brauchen so viele
Impfstoffe, wie wir kriegen können. Nur zusammen können wir einen
Unterschied machen.»