Klimaforscher: Corona nur winzige Delle bei Treibhausgaskonzentration

Es hat durch das corona-bedingte Lahmlegen vieler Wirtschaftsbereiche
weniger Treibhausgas-Emissionen gegeben. Verlangsamt das den
Klimawandel? Die Experten-Antwort ist eindeutig. Die oberste
UN-Klimabehörde bringt Atomkraftwerke ins Gespräch.

Genf (dpa) - Die Weltwetterorganisation (WMO) hat Hoffnungen auf eine
Verschnaufpause für das Klima im Zuge der Corona-Pandemie zunichte
gemacht. Das Ausmaß klimaschädlicher Emissionen wie etwa von
Kohlendioxid (CO2) sei in diesem Jahr zwar zurückgegangen. Die
Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre verändere das aber
weniger als jedes Jahr übliche natürliche Fluktuationen dies täten,
schrieb die WMO am Montag im jährlichen Treibhausgas-Bulletin. CO2
bleibt Jahrhunderte in der Atmosphäre.

2019 und 2020 ist die CO2-Konzentration weiter gestiegen, wie aus dem
Bericht hervorgeht. Der Wert hat 2019 im globalen Durchschnitt
erstmals seit Beginn der Industrialisierung 1750 die Marke von 410
ppm (Teilchen pro Million Teilchen) gebrochen. Die Marke von 400 ppm
war erst 2015 durchbrochen worden.

Konkret lag die CO2-Konzentration im vergangenen Jahr bei 410,5 ppm,
nach 407,9 beziehungsweise 405,5 ppm in den beiden Jahren davor. CO2
entsteht etwa durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas, die
Zementproduktion und andere Industrieprozesse sowie im Zuge von
Abholzung.

«Die Erde hat zuletzt vor drei bis fünf Millionen Jahren eine
ähnliche CO2-Konzentration erlebt», sagte WMO-Generalsekretär Petteri

Taalas. Auf den Zustand vor so langer Zeit können Forscher durch
Eisbohrungen in uralte Luftblasen und Analysen von Fossilien
schließen. «Damals lag die Temperatur zwei bis drei Grad und der
Meeresspiegel 10 bis 20 Meter höher. Aber es lebten nicht 7,7
Milliarden Menschen auf der Erde.»

Um die Erwärmung wie vom Weltklimarat empfohlen bis Ende des
Jahrhunderts auf 1,5 Grad zu begrenzen, müsse die Welt bis 2050
klimaneutral werden, sagte Taalas. Die Trendwende bei den
CO2-Emissionen müsse in fünf Jahren einsetzen. Öl, Gas und Kohle
müssten als Energiequelle durch Wind, Wasser und Solarenergie ersetzt
werden. Vielleicht müssten auch mehr Atomkraftwerke gebaut werden,
sagte Taalas.

Der Emissionsrückgang 2020 sei nur «eine winzige Delle» in der nach
oben steigenden Kurve. «Wir müssen die Kurve nachhaltig abflachen»,
sagte Taalas - in Anlehnung an den Ausdruck, den Epidemiologen im
Zusammenhang mit den Coronavirus-Infektionen oft nutzen.

Wie stark die Emissionen 2020 zurückgingen, sei noch unklar, so die
WMO. In Zeiten, in denen mehrere entscheidende Länder gleichzeitig im
Corona-Lockdown waren, dürfte der tägliche Ausstoß etwa 17 Prozent
unter dem Niveau vor der Pandemie gelegen haben. Vorläufige
Schätzungen gingen von einem Rückgang von 4,2 bis 7,5 Prozent aus.
Das verringere die Konzentration in der Atmosphäre allenfalls um
Werte zwischen 0,08 und 0,23 ppm. Natürliche Variationen, etwa wie
gut CO2 in einem Jahr von der Vegetation absorbiert wird, lägen bei
rund 1 ppm.

Das Treibhausgas-Bulletin nennt für die Konzentration in der
Atmosphäre einen Durchschnittswert aus mehr als 100 Messstationen.
Einzelne Stationen hätten für 2020 schon höhere Werte registriert als

im Jahr davor. Die Station in Mauna Loa auf Hawaii etwa habe
im September 411,29 ppm gemessen, verglichen mit 408,54 im
vergangenen Jahr. Die Station Cape Grim auf Tasmanien in Australien
habe 410,8 ppm gemessen, nach 408,58 im vergangenen Jahr.