Landeselternrat sieht beim digitalen Unterricht Luft nach oben

An den Schulen steigt die Zahl der Corona-Fälle, tausende Schüler
sind in Quarantäne. Ist Sachsen besser auf Unterricht zu Hause
vorbereitet als im Frühjahr? In Sachen Online-Unterricht hat sich
zwar einiges getan. Nicht genug, sagen Kritiker.

Dresden (dpa/sn) - Der digitale Unterricht in der Corona-Pandemie
läuft in Sachsen nach Einschätzung vieler Eltern noch nicht optimal.
Sollten im Zuge der Krise wieder mehr Schulen geschlossen werden,
fürchtet der Landeselternrat erneut Probleme. «Es war absehbar, dass
die Infektionszahlen wieder steigen. Aber man hat viele Dinge über
den Sommer verschlafen», sagte der stellvertretende Vorsitzende, Jörg
Menke. Zwar habe sich schon einiges getan, dennoch fehle es vielen
Schulen an technischer Ausstattung und am Zugang zu schnellem Netz.

Aus Sicht der Eltern brauche es in der aktuellen Situation staatliche
Vorgaben, um Qualitätssicherung auch beim digitalen Unterricht zu
gewährleisten. Nur so könnten die Schüler ihre Abschlüsse bewälti
gen.
«Man braucht einen Mindeststandard, der sich am Bildungsplan
orientiert.» Dazu sollten vom Kultusministerium Lehrpläne entrümpelt

werden und eine Konzentration auf die Pflichtfächer erfolgen -
zumindest für die Zeit der Pandemie.

Mit steigender Zahl von Neuinfektionen sind auch wieder mehr Schulen
betroffen. Mehr als 9000 Schülerinnen und Schüler lernten zuletzt in
häuslicher Quarantäne. Tendenz steigend.

Die Lage an Sachsens Schulen stellt sich aus Sicht des
Landeselternrates unterschiedlich dar. «Wie der Unterricht gestaltet
wird, hängt immer auch von dem jeweiligen Lehrer ab», berichtete
Menke. Es gebe Bio- oder Chemielehrer, die eigene Videos zu ihren
Experimenten erstellten. «Andere verstehen unter digitalem
Unterricht, ein PDF-Dokument hochzuladen.» Aus Sicht des
Landeselternrates hätten die vergangenen Wochen stärker genutzt
werden müssen, um etwa Videokonferenzen oder digitalen Unterricht
über Plattformen wie Lernsax parallel zum regulären Unterricht zu
üben. «Viele schalten erst um, wenn der Präsenzunterricht ausfällt.

Das geht aber nicht von einem auf den anderen Tag», so Menke.

Das Kultusministerium verwies hingegen auf eine Reihe von Maßnahmen -
etwa auf den neuen Dienst «Schullogin», der sämtliche digitalen
Dienste für Schulen auf einer Plattform bündelt. Darüber könnte nic
ht
nur auf die Lernplattform Lernsax zugegriffen, sondern auch
Nachrichten gesendet, Dateien geteilt sowie Videokonferenzen
abgehalten werden. Seit Anfang Oktober gibt es dafür ein neues
System, mit dem bei coronabedingten Schulschließungen schnell und
einfach Videokonferenzen organisiert werden könnten, hieß es. «Wir
sind für mögliche Schulschließungen oder vorübergehende Lernzeiten

zuhause deutlich besser aufgestellt, als es vor den Sommerferien der
Fall war», betonte ein Ministeriumssprecher.

Einen Beweis dafür sieht die Behörde auch in den steigenden
Nutzerzahlen: Griffen vor der der Corona-Krise rund 200 000 Lehrer,
Schüler und Eltern auf Lernsax zurück, waren es Ende des vergangenen
Schuljahres mehr als 500 000. Auch 20 000 Zugänge für die
Online-Lernplattform sofatutor mit Lernvideos und interaktiven
Übungen hat Sachsen gekauft. Betroffene Schulen können vom Landesamt
für Schule und Bildung bei Bedarf einen Zugang erhalten.

Aus Sicht von sofatutor-Geschäftsführer Stephan Bayer hat sich bisher
zu wenig getan, was Konzepte für Hybridunterricht und digitales
Fernlernen angeht. «Jetzt zu sagen "Fenster auf und Maskenpflicht für
alle" ist ein bisschen zu wenig.» Digitalisierung sei mehr als Scans
aus dem Lehrbuch, digitales Lernen funktioniere vor allem
multimedial. «Deswegen ist das, worüber wir gerade sprechen, auch
eher digitaler Notfallunterricht», so Bayer.

Die Linksfraktion im Landtag stellte dem Freistaat in Sachen
Netzausbau und digitales Lernen kein gutes Zeugnis aus. «Selbst wenn
Schulen Bundesgeld für digitale Endgeräte abgerufen haben und sich
besser ausstatten, heißt das nicht, dass die Familien im
Schließungsfall digitalen Heimunterricht durchführen können», so di
e
Abgeordnete Luise Neuhaus-Wartenberg. Für klamme Elternhäuser blieben
Tablets und Laptops weiterhin unerschwinglich. «Die Anzahl der zur
Verfügung gestellten Endgeräte war da nur ein Tropfen auf den heißen

Stein.»

Die Ministerpräsidenten hatten jüngst Pläne von Kanzlerin Angela
Merkel (CDU) ausgebremst, zur Halbzeit des bis Ende November
geltenden Teil-Lockdowns weitergehende verbindliche Maßnahmen für
Kontaktbeschränkungen - auch in Schulen - zu beschließen. Am 25.
wollen die Länderchefs erneut mit der Kanzlerin zusammenkommen.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) habe bereits im
Vorfeld deutlich gemacht, dass er an dem Thema Schulen nicht rütteln
möchte, so Regierungssprecher Ralph Schreiber im Vorfeld. Kretschmer
sei es wichtig, dass die Schulen geöffnet blieben.