Zahl der Corona-Infektionen bleibt hoch - Kein einsames Weihnachten

Vor den anstehenden Beratungen zu den Corona-Maßnahmen für Dezember
deutet sich noch keine klare Linie an. Fest steht bisher nur:
Zumindest von den führenden Unionspolitikern will keiner von den
Menschen verlangen, auf Familientreffen an Weihnachten zu verzichten.

Berlin (dpa) - Obwohl sich in Deutschland täglich immer noch Tausende
Menschen mit dem Coronavirus infizieren, halten CDU-Politiker ein
Weihnachtsfest im Familienkreis für möglich. Voraussetzung dafür ist

nach Ansicht von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier allerdings,
dass notwendige Entscheidungen bei den anstehenden
Bund-Länder-Beratungen am kommenden Mittwoch nicht wieder vertagt
werden. «Wir brauchen mutige Entscheidungen jetzt, die Wirtschaft und
alle Beteiligten wollen Klarheit», sagte der CDU-Politiker im
Deutschlandfunk.

Die deutschen Gesundheitsämter haben dem Robert Koch-Institut (RKI)
innerhalb von 24 Stunden 22 964 neue Corona-Infektionen gemeldet. Das
waren am Samstag gut 500 Fälle mehr als vor einer Woche. Der
Höchststand war am Freitag mit 23 648 Fällen erreicht worden.

Nachdem die Zahl der täglichen Neuinfektionen im Oktober und Anfang
November stark gestiegen war, war der Wert zuletzt vergleichsweise
stabil. Einen deutlichen Rückgang gibt es aber bislang nicht, obwohl
seit Anfang November ein Teil-Lockdown in Deutschland gilt. Die Zahl
der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus stieg innerhalb eines
Tages um 254 auf insgesamt 13 884.

Nach dem Willen der Unionsländer sollen die Corona-Beschränkungen
zwar bis mindestens Weihnachten verlängert werden, wie die
«Bild»-Zeitung berichtet. Aber für die Festtage selbst sollen sie
gelockert werden, damit Menschen ohne Familie das Fest mit Freunden
feiern können. Darauf hätten sich die unionsgeführten Bundesländer

bei einer Vorbesprechung zum anstehenden Bund-Länder-Treffen mit
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am kommenden Mittwoch verständigt.

Länder und Landkreise mit weniger als 50 Neuinfektionen je 100 000
Einwohnern innerhalb sieben Tagen (Inzidenzwert) sollen demnach die
Möglichkeit bekommen, die Corona-Maßnahmen auszusetzen
(«Opt-Out-Regelung»). Davon würden nach dem Stand von Samstagabend
nur Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sowie rund zwei
Dutzend Landkreise profitieren. Die Unionsländer sind sich dem
Bericht zufolge auch einig, dass es in Corona-Hotspots mit einem
Inzidenzwert über 200 in den Schulen ab der 7. Klasse
Wechselunterricht geben soll: Die Klassen würden halbiert und
abwechselnd in Präsenz oder Distanz unterrichtet.

Das Wirtschaftsmagazin «Business Insider» hatte unter Berufung auf
Länderkreise berichtet, die derzeit geltenden Maßnahmen könnten bis
zum 20. Dezember verlängert und die Winterferien bundesweit bis zum
10. Januar ausgedehnt werden.

Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse
(KKH) bedrückt mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland (54
Prozent) die Angst, dass ein Familienmitglied die Feiertage im Bett
oder gar in einer Klinik verbringen muss - sei es wegen Covid-19 oder
einer anderen Krankheit. Von den rund 1000 Befragten äußerten 41
Prozent die Sorge, das Fest wegen der Pandemie im kleinen Kreis oder
allein feiern zu müssen. In einer vergleichbaren Umfrage vor zwei
Jahren hatten 44 Prozent Angst vor Krankheit an Weihnachten.

In einer Schaltkonferenz am vergangenen Montag hatten die Länderchefs
und die Kanzlerin zunächst keine weiteren Verschärfungen der
Maßnahmen vereinbart. Seit Anfang November sind deutschlandweit alle
Freizeit- und Kulturangebote auf Eis gelegt, Bars, Cafés und
Restaurants sind geschlossen. Der Teil-Lockdown war zunächst bis Ende
des Monats befristet worden.

Ziel müsse es sein, ein Weihnachtsfest zu feiern, das diesem Anspruch
nahekommt, wenn auch in bescheidenem Rahmen, sagte Altmaier. Das sei
nur zu schaffen, wenn die Infektionszahlen nachhaltig gesenkt würden.

Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) sagte dem Redaktionsnetzwerk
Deutschland (Samstag): «Es ist für mich nicht vorstellbar, dass die
Großeltern an Weihnachten nicht mitfeiern.» Wichtiger als die Anzahl
der Menschen, die zusammenkommen, sei, «dass man vorher seine
Kontakte reduziert und darauf achtet, dass niemand Symptome hat».

Der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, appellierte an Bund
und Länder, jetzt schon eine klare Perspektive für die Feiertage zu
geben. «Man kann doch wohl Mitte November schon sagen, dass
Weihnachten in den Familien stattfinden kann», sagte Merz dem
Berliner «Tagesspiegel» (Sonntag). «Das sollte nicht in Frage
gestellt werden. Ich persönlich sage: Es geht den Staat auch nichts
an, wie ich mit meiner Familie Weihnachten feiere.» Skeptischer
zeigte sich der frühere Unionsfraktionschef mit Blick auf
Silvesterpartys.

Kritik erntete Merz von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Deren
Vorstand Eugen Brysch sagte, Merz könne heute nicht sagen, ob er zum
CDU-Vorsitzenden gewählt werde. Von den politisch Verantwortlichen
verlange er jedoch, jetzt festzulegen, wie Weihnachten in der
Pandemie aussehen werde. «Genau das ist die Methode, den Frust in der
Bevölkerung wegen der Corona-Regeln zu schüren.»

Allerdings hatte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach den
zurückliegenden Beratungen mit den Länderchefs angekündigt, man
wolle, was die Corona-Maßnahmen angeht, möglichst bald eine etwas
längerfristige Perspektive aufzeigen. Wie die aussehen wird, hängt
sicher auch von der Zulassung erster Impfstoffe ab.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bewertete den seit Anfang
November geltenden Teil-Lockdown als Erfolg. «Der Wellenbrecher
funktioniert doch», sagte er der «Welt» (Samstag). «Das exponentiel
le
Wachstum ist gebrochen. Wir sind uns einig, dass das nicht reicht.»
Angesichts der hohen Zahl älterer Menschen in Deutschland sei es
wichtig, auch die Kapazität der Intensivstationen im Blick zu haben.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner warf der Regierung in der
«Welt» Strategielosigkeit vor. «Meine Befürchtung ist: Wir
finden aus dem aktuellen November-Lockdown in diesem Jahr nicht
wieder raus», sagte Lindner. Er bekräftigte seine Position, dass mit
einem besseren Schutz der Risikogruppen die Schließung von
Gastronomie, Kultur, Freizeit und Sport unnötig gewesen wäre.