Virologen und Mediziner für längere Anti-Corona-Maßnahmen

Berlin (dpa) - Mehrere Virologen und Mediziner halten angesichts
weiter hoher Corona-Infektionszahlen eine Verlängerung oder gar
Verschärfung der bisherigen Beschränkungen für geboten.

«Zielsetzung war es, einen deutlichen Rückgang der Neuinfektionen zu
erreichen. Fast drei Wochen nach Beginn der Maßnahmen sehen wir aber
keinen deutlichen Abfall, sondern eine Seitwärtsbewegung», sagte der
Chefvirologe der Universität Heidelberg, Hans-Georg Kräusslich, der
«Rhein-Neckar-Zeitung» (Samstag). «Es ist also klar, dass das
eigentliche Ziel nicht erreicht worden ist.»

Der Virologe Alexander Kekulé fordert deshalb Verschärfungen. «Beim
nächsten Bund-Länder-Treffen am Mittwoch braucht es unbedingt neue
Anti-Corona-Beschlüsse. Dazu sollte gehören, dass an allen
weiterführenden Schulen die Klassen sofort geteilt werden und auf
Wechselunterricht umgestellt wird», sagte der Experte von der
Universität Halle-Wittenberg der «Neuen Osnabrücker Zeitung»
(Samstag). Er plädierte zugleich dafür, Kitas und Grudnschulen offen
zu lassen.

«Zweitens sollten die Weihnachtsferien bundesweit eine Woche vor dem
24. Dezember beginnen.» Das wäre der 17. Dezember - in den meisten
Ländern beginnen die Ferien am 19., in anderen erst am 23. Dezember.
«Dadurch würde man auch die außerschulischen Kontakte deutlich
reduzieren», erklärte Kekulé. Das könne einen wertvollen Puffer
schaffen, um bis zum Jahreswechsel zurück in den grünen Bereich zu
kommen.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, rechnet damit,
dass die zunächst bis Ende November befristeten Beschränkungen
verlängert werden. «Man muss davon ausgehen, dass der Lockdown light
im Dezember fortgesetzt wird. Das ist auch angesichts der Lage auf
den Intensivstationen geboten», sagte er der «Passauer Neuen Presse»

(Samstag). Vor zu strengen Verschärfungen warnte er aber: «Wir
sollten genau auf die konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen achten.»

Der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche
Versorgung (ZI), Dominik von Stillfried, hält den im
Infektionsschutzgesetz festgelegten Sieben-Tage-Inzidenzwert von 50
Corona-Infizierten pro 100 000 Einwohner für wenig aussagekräftig.
«Er ist nicht nach Alter differenziert; die Inanspruchnahme der
Intensivstationen und die Sterblichkeit sind aber stark
altersabhängig», erklärte der Chef der Forschungseinrichtung der
Kassenärzte im «Mannheimer Morgen» (Samstag). «Wenn wir verhindern

wollen, dass Krankenhäuser an ihre Belastungsgrenze kommen und
womöglich entscheiden müssen, welchen Patienten sie noch behandeln
und welchen nicht, muss das Frühwarnsystem abbilden, wie hoch der
Anteil der Risikogruppen unter den Infizierten ist.»