Nach Gerichtsurteil: Keine Quarantäne mehr für Reiserückkehrer in N RW

Schlappe für die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen: Ein Gericht
kippt die Corona-Einreiseverordnung. Einen Reisenden zu isolieren,
wenn auf ihn in seiner Heimat deutlich höhere Infektionszahlen
warten, macht nach Meinung der Richter keinen Sinn. Hat das
bundesweite Folgen?

Düsseldorf/Münster (dpa) - Reiserückkehrer aus Risikogebieten im
Ausland müssen nach einem Gerichtsurteil in Nordrhein-Westfalen
vorerst nicht mehr in Quarantäne. Das NRW-Gesundheitsministerium hat
wenige Stunden nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in
Münster (OVG) die Corona-Einreiseverordnung des Landes außer Kraft
gesetzt. Die Richter hatten sich mit der Klage eines Urlaubers
befasst, an dessen Reiseziel die Infektionszahlen niedriger sind als
in seiner Heimat - Quarantäne bei der Rückkehr hält er daher für
unangemessen. Die Richter folgten seiner Argumentation.

«Da das OVG wesentliche Bedenken gegen die zentralen Regelungen der
Verordnung geäußert und sie außer Kraft gesetzt hat, ist die gesamte

Verordnung ab sofort nicht mehr anzuwenden», erklärte eine Sprecherin
des Ministeriums am Freitagabend auf Anfrage der dpa. Der Beschluss
des OVG stellt nach Ansicht des NRW-Gesundheitsministeriums das
bisherige System des Bundes zur Ausweisung von ausländischen
Risikogebieten in Frage.

Der Kläger aus Bielefeld war bis zum 13. November auf Ibiza und
reiste dann weiter nach Teneriffa. Am 22. November will er zurück
nach Deutschland fliegen. Weil der Wert der Neuansteckungen pro 100
000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen auf den Balearen deutlich
niedriger liegt als in Bielefeld, wehrte er sich gegen den Vorwurf,
als ansteckungsverdächtig qualifiziert zu werden.

Der tourismuspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Marcel
Klinge, sagte: «Das Urteil ist ein gutes Signal für Reisewirtschaft
und Urlauber. Wenn von Reiserückkehrern keine große Gefahr ausgeht,
müssen die Verordnungen zur Quarantäne nun angepasst werden. Hierbei
sollten auch Tests für Reisende wieder eine größere Rolle spielen, um

sicheres Reisen wieder zu ermöglichen. Testen statt pauschale
Quarantäne muss das Ziel sein.»

Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der
Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), sagte: «Das Urteil in
Nordrhein-Westfalen bestätigt, dass die pauschale Quarantänepflicht
für Reisende aus Risikogebieten nicht verhältnismäßig ist.» Es

brauche eine differenzierte Ausweisung von Risikogebieten, die das
tatsächliche Infektionsrisiko berücksichtigt - und eine wirksame
Teststrategie mit Schnelltests an den Flughäfen.

Nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts hat das Land nicht
berücksichtigt, dass Reisende bei der Rückkehr aus Ländern mit
geringeren Infektionszahlen als an ihrem Wohnort nach der Heimkehr
einem höherem Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Somit sei die
Quarantäne aktuell kein geeignetes Mittel zur Eindämmung der
Corona-Pandemie in Deutschland, teilte das Gericht am Freitag mit.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (Az: 13 B 1770/20.NE).

Die gekippte Regelung schreibt vor, dass Rückkehrer aus ausländischen
Risikogebieten sich nach der Einreise nach Nordrhein-Westfalen in
häusliche Quarantäne begeben müssen (Absonderung) und zehn Tage lang

keinen Besuch aus anderen Haushalten empfangen dürfen.