WHO rät von Remdesivir bei Covid-19 ab - Widerspruch vom Hersteller

Einst galt das Ebola-Medikament Remdesivir als Hoffnungsträger gegen
Corona-Erkrankungen. Auch US-Präsident Donald Trump wurde damit
behandelt. Nach Zweifeln an der Wirksamkeit rät die WHO nun aber von
seinem Gebrauch ab.

Genf (dpa) - Die Weltgesundheitsorganisation WHO rät vom Einsatz des
einst vielversprechenden Medikaments Remdesivir
bei Covid-19-Erkrankungen ab. Nach eingehender Prüfung sei ein
Expertengremium der WHO zu dem Schluss gekommen, dass das Mittel
«keinen bedeutenden Einfluss auf die Sterblichkeit» habe. Das gelte
auch für andere wichtige Faktoren wie den Bedarf an künstlicher
Beatmung oder die Zeit bis zu einer Besserung, teilte die WHO am
Freitag in Genf mit. Es sei zudem noch nicht ausgeschlossen, dass das
Medikament auch Schaden anrichten könnte. Dazu kämen die Kosten.

Remdesivir war vom US-Pharmakonzern Gilead ursprünglich zur
Bekämpfung des Ebola-Virus entwickelt worden. Nach Ausbruch der
Corona-Pandemie galt es eine Zeit lang als Hoffnungsträger im Kampf
gegen Covid-19. Es erhielt im Juli als erstes Mittel überhaupt in
Europa eine Zulassung unter Auflagen zur spezifischen Behandlung von
bestimmten Patienten.

Zuletzt hatten Tests aber nahegelegt, dass der Nutzen des Präparats
bestenfalls gering ist. Die Erkenntnisse ergaben sich aus einer von
der WHO koordinierten Studie mit Tausenden Patienten in fast 500
Kliniken in mehr als 30 Ländern.

Vom Hersteller Gilead kam am Freitag Widerspruch. Klinische Vorteile
von Remdesivir seien in «randomisierten, kontrollierten Studien»
unter anderem in Deutschland nachgewiesen worden: «Zu diesen
Vorteilen zählt insbesondere auch eine signifikant schnellere Zeit
bis zur Genesung.» Man seit überzeugt davon, dass Ärzte weltweit den

Nutzen des Präparats erkennen würden.

Die EU wollte sich am Freitag nicht zu möglichen Konsequenzen der
WHO-Einschätzung äußern. Es sei nun an europäischen Wissenschaftler
n,
sich die Begründung der WHO anzuschauen und dann die notwendigen
Schlussfolgerungen zu ziehen, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula
von der Leyen. Sie selbst werde das nicht tun.

Die Europäische Kommission hatte im Juli mit dem Pharmaunternehmen
Gilead einen Vertrag über insgesamt 63 Millionen Euro unterzeichnet,
der die Behandlung von rund 30 000 Patienten mit Remdesivir
ermöglichen sollte. Anfang Oktober war zudem ein Rahmenvertrag für
die Beschaffung von bis zu 500 000 weiteren Behandlungseinheiten
geschlossen worden. Bei diesem ging es aber darum, Direktbestellungen
von europäischen Staaten zu bündeln.

Die US-Arzneimittelbehörde FDA hatte Remdesivir zur Behandlung von
Covid-19-Erkrankungen vor gut einem Monat zugelassen, nachdem es seit
Mai bereits eine Notfallzulassung in den USA gibt. Die FDA hatte
damals von einem «Meilenstein in der Pandemie» gesprochen. Auch
US-Präsident Donald Trump hatte Remdesivir bei seiner
Covid-19-Erkrankung erhalten. Das Mittel ist laut Gilead geeignet für
Menschen, die mindestens 12 Jahre alt und mindestens 40 Kilogramm
schwer sind, und solle nur bei schwereren Verläufen und von
medizinischen Experten verabreicht werden.

Erst am Donnerstag (Ortszeit) erließ die FDA eine weitere
Notfallzulassung im Zusammenhang mit Remdesivir: Der Wirkstoff
Baricitinib, der eigentlich zur Behandlung von Arthritis eingesetzt
wird, darf demnach in Kombination mit Remdesivir eingesetzt werden.