Trump, China und Corona - G20-Gipfel im Schatten der Krisen Von Jürgen Bätz, Andreas Landwehr und Jan Kuhlmann, dpa

Internationale Formate hielt Trump immer für Quasselbuden. Jetzt
dürfte das G20-Spitzentreffen am Wochenende sein letzter großer
internationaler Auftritt als Präsident sein. Mit viel Störpotenzial.

Riad/Washington/Peking (dpa) - Vor fast vier Jahren stand Donald
Trump im Königspalast von Riad und reihte sich an der Seite seiner
saudischen Gastgeber in den traditionellen Schwerttanz des Landes ein
- Bilder des tanzenden US-Präsidenten gingen um die Welt. Auf seiner
ersten Auslandsreise im neuen Amt besuchte er damals ausgerechnet das
Königreich am Golf. Jetzt führt sein wahrscheinlich letzter Auftritt
als Staatschef auf der großen internationalen Bühne wieder über
Saudi-Arabien, zumindest virtuell. Denn das Königreich hat die
G20-Präsidentschaft inne und organisiert das Gipfeltreffen an diesem
Wochenende, das wegen Corona nur per Videoschalte stattfindet.

Der abgewählte, aber noch bis zum 20. Januar amtierende Trump schien
nie besonders erfreut, zu Gipfeln im Ausland zu reisen. Sobald er
aber vor Ort war - sei es bei den G7, G20 oder bei einem Nato-Gipfel
- genoss er die Aufmerksamkeit der Medien und machte am Tag gleich
mehrere Pressekonferenzen, häufig rund um seine bilateralen Treffen.
All das ist auf einem virtuellen Gipfel natürlich nicht möglich.

Trump zieht in der Regel persönliche Treffen vor. Ihm wird
nachgesagt, bei längeren Präsentationen oder Videoschalten schnell
das Interesse zu verlieren. Wie sich das auf seine geplante Teilnahme
an der G20-Schalte auswirken würde, blieb zunächst unklar. Den
G7-Gipfel wollte Trump in diesem Jahr als turnusgemäßer Gastgeber um
jeden Preis als persönliche Begegnung stattfinden lassen. Als dies
wegen Pandemie und Wahlkampf nicht mehr umzusetzen war, ließ Trump
den jährlichen Gipfel ausfallen - zum ersten Mal seit Jahrzehnten.

Beim G20-Spitzentreffen dürfte es vor allem um die Bekämpfung des
Corona-Virus gehen, auch über Klimaschutz wollten die Staats- und
Regierungschefs reden, hieß es vorab. Eine Mehrheit der Amerikaner
bescheinigt Trump in Umfragen ein schlechtes Krisenmanagement in der
Pandemie, Klimaschutz hat für ihn keine Bedeutung.

Innerhalb kürzester Zeit trifft er nach dem bisherigen Programm
gleich zweimal auf den chinesischen Staats- und Parteichef Xi
Jinping. Im Wahlkampf polterte Trump, Peking werde das Verursachen
der Pandemie teuer zu stehen kommen. Das Coronavirus bezeichnete er
dabei meist bewusst als «China-Virus» oder auch als die «China-Pest
».
Trump und Xi hatten, soweit öffentlich bekannt, seit Ende März nicht
mehr direkt miteinander gesprochen. Wegen der Pandemie - und Trumps
galligen Vorwürfen gegen Peking im Wahlkampf - herrschte wohl zu viel
böses Blut. Am Freitag nahmen beide per Videolink am
Asien-Pazifik-Gipfel teil, bevor sie sich am Wochenende bei den G20
erneut virtuell begegnen sollen.

Trump ist wütend, weil er davon überzeugt ist, dass die Pandemie und
die von ihr ausgelöste Wirtschaftskrise ihn um seine verdiente
Wiederwahl gebracht haben. Kritiker werfen ihm jedoch vor, er lenke
mit seiner Kritik an China nur vom eigenen Versagen bei der
Eindämmung der Pandemie ab. Seit seiner Wahlniederlage hat sich Trump
kaum in der Öffentlichkeit gezeigt. Auch zur jüngsten Corona-Welle in
den USA mit immer neuen Infektionsrekorden hat er sich kaum geäußert.

Xi Jinping ist schon vor dem G20-Gipfel in die Offensive gegangen.
Erst schloss sein Land das weltgrößte Freihandelsabkommen mit 14
anderen asiatisch-pazifischen Nationen, dann präsentierte sich Xi
Jinping auf den Gipfeln der Brics-Staaten und der
Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftspartnerschaft (Apec) diese Woche als
Vorreiter des Multilateralismus und Klimaschutzes.

Der Konfrontation mit Trump entzieht sich Xi Jinping. Er geht nicht
auf die Kritik an dem anfangs langsamen und unzureichenden Kampf
gegen den Ausbruch ein, sondern verweist allein auf den Erfolg, das
Virus am Ende unter Kontrolle gebracht zu haben.

Seit dem Sommer verzeichnet China nur noch vereinzelt lokale
Infektionen. Der Sieg über das Virus gelang durch strenge Maßnahmen,
Quarantäne, Kontaktverfolgung und Einreisebeschränkungen. Als einzige
große Volkswirtschaft verzeichnet China in diesem Jahr ein Wachstum,
während der Rest der Welt in die Rezession abgerutscht ist.

Für die Führung in Peking hat das kommunistische System damit seine
Überlegenheit gegenüber den freiheitlichen, westlichen Ländern
demonstriert, während sich vor allem die USA als dysfunktional
erwiesen haben - auch wegen der mangelnden Führung Trumps.

Der G20-Gipfel dürfte auch die unterschiedliche Haltung der beiden
Supermächte auf internationaler Ebene nochmals verdeutlichen: China
bemüht sich im eigenen Interesse um länderübergreifende
Zusammenarbeit und steht zu internationalen Organisationen wie der
Weltgesundheitsorganisation (WHO). Trump vertritt die Politik
«Amerika zuerst», Foren der internationale Zusammenarbeit wie die G20
sieht er häufig wohl eher als zahnlose Quasselbuden.

Trump hat traditionelle US-Verbündete wie die europäischen
G20-Mitglieder Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien
immer wieder vor den Kopf gestoßen - von der Iran-Politik über
Strafzölle bis hin zum Klimawandel, um nur ein paar Beispiele zu
nennen. Seine eher starre Haltung auf der internationalen Bühne
könnte auch bei seinem letzten Gipfel noch einmal für Ärger sorgen -

er könnte eine mögliche Abschlusserklärung der Staaten untergraben.


Die USA dürften sich dabei erneut gegen Verweise auf den Klimawandel
wehren. Auch will sich Washington nicht der internationalen
Corona-Impf-Initiative Covax anschließen. Beim Thema Pandemie könnte
Trump zudem auf einer Schuldzuweisung gegen China bestehen - und
damit auch den Konsens in anderen Fragen torpedieren.