Kieler Landtag froh über höhere Bundeshilfen für Betriebe

Erleichterung und Kritik: Der Landtag in Kiel reagiert differenziert
auf die Hilfspläne des Bundes für Betriebe im Teil-Lockdown. Minister
Buchholz prescht mit einem Vorschlag zur Mehrwertsteuer vor.

Kiel (dpa/lno) - Landtag und Regierung in Schleswig-Holstein sind
erleichtert über die vom Bund angekündigten erhöhten Hilfen für
Betriebe, die im Teil-Lockdown infolge von Schließungen erhebliche
Umsatzeinbußen erleiden. Dies machte eine Parlamentsdebatte am
Donnerstag deutlich. Zugleich wurde Kritik am Bund laut, weil dieser
erst auf massiven Druck auch aus Kiel seine Ursprungspläne
nachgebessert habe.

Die Debatte offenbarte auch Differenzen zwischen den
Koalitionspartnern FDP und Grüne. «Wer jetzt die Wirtschaft mit
Forderungen nach strukturellen Veränderungen überfordert, der lähmt
den Erholungsprozess», sagte Wirtschaftsminister Bernd Buchholz
(FDP). Es müsse alles versucht werden, die Wirtschaft zu
modernisieren und den Strukturwandel auch zu beschleunigen. Aber die
Hilfeleistungen müssten allen zugutekommen.

Der Grüne Joschka Knuth hielt dagegen: Die Corona-Krise dürfe keine
Ausrede sein, die dringend notwendige Transformation der Wirtschaft
aufzuhalten. «Wir brauchen auf dem Weg aus der Krise Investitionen in
Innovation, Digitalisierung und zielgerichtete Maßnahmen, um unsere
Wirtschaft zukunftsfähig und damit erfolgreich aufzustellen», sagte
Knuth. Als Beispiele hob er Energiewende, Klimaschutz und
Digitalisierung hervor.

Buchholz schlug vor, auf alle Lebensmittel in Handel und Gastronomie
den ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent zu erheben. «Wir sollten

jedenfalls darüber nachdenken, in diesen Zeiten auch solche
Vereinfachungen zu überlegen», sagte er unter Hinweis auf die
geltenden verschiedenen Steuersätze. Damit könnte den in der Pandemie
leidenden Betrieben geholfen werden. Finanzministerin Monika Heinold
(Grüne) sei nicht seiner Auffassung. Aber: «Bei solchen Vorschlägen
darf es auch Unterschiede geben».

Buchholz und die Fraktionen zeigten sich erleichtert, dass der Bund
bei den sogenannten Novemberhilfen für Unternehmen, die mittelbar von
den Betriebsschließungen im Teil-Lockdown mit herben Umsatzverlusten
betroffen sind, inzwischen nachgelegt hat. Buchholz dankte
ausdrücklich dem Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) und der
SPD-Landesvorsitzenden Serpil Midyatli für deren Einsatz auf
Bundesebene. Mit viel Druck sei es gelungen, diese Unternehmen
stärker als zunächst vorgesehen in die Hilfen einzubeziehen.

Die Landesregierung hatte sich vehement für Nachbesserungen
eingesetzt. Das Land hatte seine Zustimmung zum Teil-Lockdown samt
Schließung von Gaststätten und Hotels für Touristen auch mit der
Zusage des Bundes begründet, dass direkt und auch mittelbar
betroffene Unternehmen zu einem erheblichen Teil für Verluste
entschädigt werden. Diese Zusage sah das Land zunächst nicht erfüllt.


Inzwischen hat die Bundesregierung reagiert. So soll die sogenannte
Überbrückungshilfe III nicht mehr, wie von Jamaika als «nicht
realitätsfest» kritisiert, bei 50 000 Euro im Monat gedeckelt werden.
Nun sind bis zu 200 000 Euro vorgesehen. Solo-Selbstständige sollen
einmalig bis zu 5000 Euro als Betriebskostenpauschale bekommen, was
im Landtag als zu niedrig kritisiert wurde.

Buchholz zufolge werden zur Abarbeitung der Hilfsanträge mehr als 130
Mitarbeiter aus mehreren Ministerien zusammengezogen. Damit werde
andere Arbeit liegenbleiben. Im Blick auf Entscheidungen über weitere
Corona-Maßnahmen in der nächsten Woche sagte der Minister, wer an
Betriebsschließungen festhalte, müsse auch die Entschädigungen
fortschreiben. CDU-Fraktionschef Tobias Koch wertete die
Nachbesserungen des Bundes als großen Verhandlungserfolg für die
Landesregierung.

Der Erfolg habe auch hier viele Väter und Mütter, meinte die
SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli. Ob die 5000 Euro für
Soloselbstständige ausreichen werden, sei auch für sie offen. Wenn
die Landesregierung mehr machen wolle, um den Betroffenen zu helfen,
stehe die SPD dazu bereit. «Unser Zusammenhalt trägt uns durch die
Krise», sagte Midyatli im Blick auf das Land.

«Wir arbeiten zusammen, egal ob wir in Regierungsverantwortung sind
oder als Opposition hier sind», sagte SSW-Fraktionschef Lars Harms.
«Das, finde ich, ist sehr besonders für Schleswig-Holstein - das gibt
es nicht überall.»

Jörg Nobis von der AfD kritisierte, die Hilfen für Betriebe könnten
noch nicht einmal beantragt werden. Die Novemberhilfen seien schon
jetzt ein Desaster. Wenn sie nicht binnen weniger Tage kämen, sei für
viele Betriebe Feierabend.